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Berlin: Der Himmel über Berlin: einfach herrlich

Von Heidemarie Mazuhn Acht Uhr. Die Stimme im Radio bejubelt professionell aufgeregt das „unglaubliche Wetter zum Vatertag“.

Von Heidemarie Mazuhn

Acht Uhr. Die Stimme im Radio bejubelt professionell aufgeregt das „unglaubliche Wetter zum Vatertag“. Auf den Straßen ist es auffällig still. Die Nachbarschaft scheint ausgestorben. Nur ganz unten im Gärtchen der Erdgeschosswohnung ist ein Bewohner zu sehen. Im himmelblauen Schlafanzug inspiziert er das Blühen und Gedeihen seiner „Kinder“ – seit gestern gehören sieben rosa Pfingstrosen dazu. Laut sind an diesem feiertäglichen Morgen nur die Vögel. Seit Sonnenaufgang gebärden sie sich, als gelte es einen Gesangswettbewerb zu gewinnen.

Gegen 10 Uhr gehört der Tiergarten noch den Joggern und vereinzelten Skatern. Ansonsten sind die Straßen fast leer. So, als habe Himmelfahrt oder der Vatertag – je nach Bedarf – tout Berlin vertrieben. An der Bushaltestelle wartet ein älteres Ehepaar in Feiertagskleidung. Aus ihrer rotkarierten Tragetasche lugt ein Winzling von Hund neugierig in den immer wärmer werdenden Tag.

Am Nollendorfplatz sitzen vor einem Imbiss vier Männer vor ihrem flüssigen Frühstück. „Was der Tag heute für uns is? Na, schön isser“, antworten sie und greifen wieder zum Dosenbier. Es ist nicht die erste Runde. So was Unfeines steht in den angesagten Lokalen um den Winterfeldtplatz nicht auf den Tischen, dafür darf man hier inflationäre fünf Euro für einen Eiskaffee zahlen. Macht zu dieser Vormittagsstunde aber niemand, und gefrühstückt wird hier erst gegen Mittag. Nur einen Gast aus Genf kann man fragen, was der Tag für ihn bedeutet. „Himmelfahrt“, antwortet er. Vatertag findet er eine blöde Sache, „damit hat Hitler wohl angefangen, und da saufen die nur rum.“

Ähnlich sieht es auch Pfarrer Edgar Kotzur, der vor der St. Matthias-Kirche auf das Ende des Kindergottesdienstes wartet . „Der Vatertag sollte wohl ein Pendant zum Muttertag sein“, überlegt er. Nur, dass letzterer von der Konsumwelt propagiert wird. „Beim Vatertag dagegen setzen die sich nur in ihre Wagen und gehen einen saufen.“

Die Mädchen und Jungen, die jetzt aus der St. Matthias-Kirche kommen, kennen die richtige Antwort, warum sie schulfrei haben. „Heute ist Christi Himmelfahrt“, ist Jennifer über die Frage leicht verwundert und macht dann wie die anderen weiter ihr Fahrrad einsatzbereit. Auf Radtour ins Grüne soll es gehen, wenn sich Kaplan Florian Erlenmeyer umgezogen hat. Eben hat er ihnen noch in der Kirche von der Bedeutung des Tages erzählt, den die Christen 40 Tage nach Ostern und zehn Tage vor Pfingsten feiern. Von der Hoffnung spricht der junge Mann, die Christi Himmelfahrt für uns alle bedeutet. Der Hoffnung, dass wir Jesus Christus nicht nur in den Himmel folgen, sondern auch ins Leben– „wo man oft das Gefühl hat, die Decke bricht über einem zusammen“.

Das Gefühl hat im Wirtshaus „Moorlake“ niemand. Ab Mittag herrscht dort fröhliche Enge. „Viel besser als zum 1.Mai“, freut sich Wirt Fritz Roeder über den Absatz von Maibowle und Maischolle. Vatertägliche Suffköppe gibt es hier nicht zu entdecken, und statt mit Bollerwagen sind die Leute mit Rädern und Kinderwagen da. Nachmittags wird’s dann noch enger – da kommen die, die um 15 Uhr in St. Peter und Paul in Nikolskoe dem evangelischen Bischof Wolfgang Huber zuhörten. Sein katholischer Amtskollege Kardinal Georg Sterzinsky begeht den Feiertag fast privat mit seiner Hausgemeinschaft in der eigenen Kapelle. „Frei“ hat er trotzdem nicht – auf das Treffen mit lateirikanischen Bischöfen am Mittag folgt das mit seinem Abiturjahrgang.

Die „Väter“ dieser Stadt sammeln sich indes in den gastlichen Oasen des alten Ostens. Mit Bollerwagen, Klingeln und Tröten waren sie schon morgens in Richtung Grün und Hell gefahren - letzteres gezapft. Bei „Rübezahl“ am Müggelsee bleibt den ganzen Tag kein Plätzchen frei. Ein versprengter Kremser, der nachmittags durch die City zuckelt, macht dort zwar keinen Vatertag, dafür sitzt man im „Café am Neuen See“ Schulter an Schulter. Aber auch auf dem Trockenen – um 14 Uhr ist das Wasser aus.

Der „Brückentag“ wird wunderbar, jubelt abends das Radio. Der Brückentag - das ist heute. Und übermorgen ist Muttertag.

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