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Berlin: Der innere Kompass fehlt

Grundwerte müssen in allen Klassen und Fächern stärker vermittelt werden Von Martin Lindner

Immer neue Gesetze, Verordnungen und Verfügungen haben den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft nicht stärken oder gar ersetzen können. Im Gegenteil: Der Staat mit seiner grotesken Regelungswut löst nicht die Probleme seiner Bürger. Der Staat ist das Problem selbst. Parallel zu immer mehr staatlichen Verboten und Vorschriften ist nämlich vielen verloren gegangen, was ich den inneren Kompass des Menschen nenne. So haben die kleinteiligen Regeln und massenhaften Ausnahmen dazu geführt, dass vielen der Blick fürs Wesentliche abhanden gekommen ist. Eine klar erkennbare Handlungsmaxime geht verloren, jeder macht, was er will. Unzählige staatliche Verbote selbst von Lächerlichkeiten haben bei vielen zu einem fatalen Umkehrschluss geführt: Was nicht ausdrücklich verboten ist, darf getan werden, ob es rücksichtsvoll ist oder nicht.

Eine neue gesellschaftliche Grundlage ist geboten. Der Staat beschränkt sich darauf, nur das unbedingt Nötige zu regeln. Parallel dazu besinnen wir Bürger uns wieder auf die inneren Werte, die Grundwerte unseres Zusammenlebens, wozu insbesondere zählen: Respekt vor der Würde und Freiheit des Mitmenschen, die Sorge für die Schwachen, die Achtung fremden Eigentums und der Sinn für die Gemeinschaft. Diese Grundwerte vermitteln wir wieder verstärkt unseren Jüngsten, zu Hause, aber auch in Kindergärten und Schulen. In allen Klassen und Fächern. Das beginnt damit, dass sich die Schüler wieder zu erheben haben, wenn der Lehrer das Zimmer betritt. Es gibt keine Toleranz für Mobbing von Mitschülern oder Diebstahl fremder Sachen. Wer grob unfair spielt, fliegt vom Platz – nicht nur im Sport.

Die großen Religionsgemeinschaften müssen eine wichtigere Rolle spielen. In einem neuen Pflichtfach Religion, alternativ: Ethik/Philosophie müssen die Grundwerte vermittelt werden, müssen neben Verstand auch – verzeihen Sie die etwas altmodischen Begriffe – Herz und Seele angesprochen werden. Es genügt dagegen nicht, wenn – wie in Brandenburg – Werte in einer Art religionshistorischem Unterricht lediglich beschrieben werden. Das gilt auch für muslimische Kinder und Jugendliche: Genauso wie Christen und Juden müssen in einem verbindlichen und von der Schulverwaltung überwachten Religionsunterricht junge Moslems von Moslems lernen, dass ein aufgeklärter Islam die Grundwerte unserer Gesellschaft durchaus stützt. Nur wenn das die Angehörigen der eigenen Religion jungen Moslems begreifbar machen, besteht eine Chance, Jugendliche immun zu machen gegen die Hassparolen radikal-islamistischer Hetzer.

Die Grundwerte unseres Zusammenlebens müssen für alle zum inneren Kompass werden. Nur dann verhalten sich die Bürger – mit liberaler Nachsicht für kleinere menschliche Schwächen – respektvoll, rücksichtsvoll und gemeinschaftsdienlich.

Der Autor ist FDP-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Beitrag gehört zu unserer Reihe mit Positionen zum Thema Ethik- und Religionsunterricht. Bisher schrieben: Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann (5. März), Bildungssenator Klaus Böger, SPD (6.März), Wilfried Seiring, Direktor des

Ausbildungsinstituts für Humanistische Lebenskunde an der TU (24. März), CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer (27. März), Kultursenator Thomas Flierl, PDS (29. März), Martin Kirchner, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Berlin-Wedding (30. März).

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