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Berlin: Der Kampf gegen die Demütigung

Warum Franziska van Almsick bis 2004 weiterschwimmt

Die Bühne, die ganz große Bühne, war rund 20 Meter lang, und sie war aus milchig weißem Stein. Die Bühne stand in der Schwimmhalle an der Landsberger Allee, und als Franziska van Almsick am 3. August diese Bühne betrat, begannen ein paar tausend Menschen in der Halle zu jubeln, zu klatschen und zu weinen. Und am ergriffensten weinte Franziska van Almsick. Sie absolvierte die 20 Meter vom ersten Startblock zum Ausgang als emotionalen Triumphzug. Der Schwimmstar aus Berlin hatte bei der EM Weltrekord über 200 m Freistil geschwommen (1:56,64 Minuten), der Medienstar feierte ein sensationelles Comeback.

Und die 24-Jährige schwimmt weiter, sie schwimmt bis zu den Olympischen Spielen 2004. Denn Franziska van Almsick, die bekannteste Berlinerin neben Hildegard Knef und Marlene Dietrich, reizt nach zwei WM– und 21 EM-Titeln nur noch eines: ein Olympiasieg. Der fehlt ihr noch. Aber das allein ist nicht das Problem. Olympia ist für sie die Übersetzung von Enttäuschung und Demütigung. 1996 scheiterte sie an ihren Erwartungen und denen der Fans. Sie wurde auf ihrer Spezialstrecke 200 m Zweite, aber Silber bedeutete Niederlage, bedeutete Schlappe. Und im Jahr 2000 kam sie nicht mal ins Finale. Als sie sich aus dem Becken quälte, entstand dieses Foto, das die „BZ“ mit der demütigenden Schlagzeile veröffentlichte: „Franzi van Speck. Als Molch holt man kein Gold.“ Nichts in den vergangenen Jahren hat sie härter getroffen als dieser Spruch.

Nichts stachelte sie danach so sehr an wie diese Demütigung. Das Ziel, es allen Kritikern zu zeigen, treibt Franziska van Almsick seit Jahren weiter. Sie hat dieses Ziel nie erreicht. Auch nicht durch ihren Weltrekord. Sie erreicht es, so denkt sie, nur durch den Olympiasieg. Und mit ihm erfüllte sie zugleich ihren sportlichen Traum. Aber sie musste prüfen, ob sie das Zeug zum Olympiasieg hat, ob sie nicht drohte, der nächsten Schlappe entgegen zu schwimmen. Der Weltrekord gab ihr die Antwort. Frank Bachner

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