zum Hauptinhalt

Berlin: DER KÜNSTLER DIE KUNST

Daniel Knorr, 44, hatte selbst am wenigsten damit gerechnet. Doch nun bekommt er ihn: den Preis der Böttcherstraße, eine der renommiertesten Auszeichnungen für junge Kunst, die am morgigen Sonntag zum 43.

Daniel Knorr, 44

, hatte selbst am wenigsten damit gerechnet. Doch nun bekommt

er ihn: den Preis der Böttcherstraße, eine der renommiertesten Auszeichnungen

für junge Kunst, die am morgigen Sonntag zum 43. Mal verliehen wird. Das Aufbau- Team der Bremer Kunsthalle, in der die zehn Nominierten bis 16. Dezember ihre

Arbeiten zeigen, wusste dagegen gleich, dass Knorrs „Rauchkabine“ als Clou mitten im Museum beste Aussichten besaß. Der gebürtige Rumäne, der mit 14 Jahren

nach Deutschland kam, lebt seit 1998 in Berlin. Mit seinen markanten Setzungen wird er auf internationale Großausstellungen und Biennalen eingeladen. Seinen

größten Auftritt aber hatte Knorr vor sieben Jahren in Venedig mit dem rumänischen Pavillon, den er einfach entleerte und nur einen Reader zum Thema Europa verteilte. Auf diese Weise konfrontierte er das Publikum mit Rumänien als weißem Fleck.

Auch bei der 4. Berlin Biennale 2006 setzte er das Mittel der Verschiebung ein und

öffnete so den Blick. Vor der Neuen Nationalgalerie ließ er die Flaggen Berliner

Burschenschaften hissen: Vor 150 Jahren hatten die Vereinigungen als revolutionäre Kraft zur Nationalstaatsgründung beigetragen, heute erscheinen viele von ihnen

nur noch reaktionär.

Rauchen erlaubt. Auf die Frage, warum er Künstler wurde, hat Daniel Knorr eine schnelle Antwort parat: weil ihm

dieser Beruf die größte Freiheit erlaube. Aufgewachsen in einer Diktatur, hat der gebürtige Bukarester ein ausgeprägtes

Gespür dafür, wo Beschränkungen beginnen, ab wann Staat und Öffentlichkeit auf den Einzelnen einzuwirken versuchen. Für ihn gehört das zunehmende Rauchverbot zu solchen Reglementierungen, an denen die Liberalität an ihre Grenzen stößt. Der Nichtraucher Knorr mag das ganz und gar nicht. Mit einem einfachen Kniff hat der Künstler diese Schranke aufgehoben: Mitten in die Bremer Kunsthalle ließ er eine gewöhnliche Raucherkabine einbauen, wie sie auch auf Bahnhöfen und Flughäfen zu finden ist. Dazu entwickelte er ein Schilderleitsystem mit einer Zigarette als Symbol, das den

Besucher durch die Ausstellung bis zur Raucherecke führt. Knorr dreht den Spieß um, indem er für das verbotene Vergnügen eine Zone der Gesetzesfreiheit schafft – mitten im Museum. Die heitere Seite dieses anarchischen Eingriffs in den

üblichen Ausstellungsbetrieb erhält dadurch noch ihre Steigerung, dass die Raucher selbst wie Exponate in einer Glasvitrine wirken. Das rundum wandelnde Publikum bestaunt sie wie seltene Exemplare in einem naturhistorischen Museum. Doch Knorr hatte noch anderes im Sinn mit seiner Intervention mitten im Liebermann-Saal, dessen Motive bürgerliche

Behaglichkeit ausstrahlen. Er erinnert an Bremen als die Stadt des Tabak-Collegiums: Noch aus Zeiten des einst

blühenden Tabakhandels hat sich diese Einrichtung bis heute bewahrt, ein Raucherclub für Männer der gehobenen Art,

der Wirtschaftsbosse wie Josef Ackermann zu seinen Mitgliedern zählt und sich drei Mal jährlich trifft. Auch hier greift das Ausschlussprinzip, nur gehört das aktive Rauchen zu den Regularien. Der blaue Dunst dient umgekehrt der Distinktion. NK

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false