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Berlin: Der Mann am Mikrofon – als Oxfort auf Dutschke traf

Der verstorbene FDP-Politiker bleibt als konservativer Liberaler in Erinnerung. Doch 1968 hatte er eine besondere Begegnung

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In der Freiburger Stadthalle ging es hoch her. Die Delegierten des FDP-Bundesparteitags waren drauf und dran, den nationalliberalen Erich Mende als Parteichef abzulösen und sich der neuen Zeit zu öffnen. Vor der Stadthalle ging es auch hoch her. Einige tausend junge Leute hatten sich versammelt, vorneweg Rudi Dutschke, der Anführer der außerparlamentarischen Opposition. Die Demonstranten wollten die Liberalen zur Rede stellen. Das war am 29. Januar 1968.

Wolfgang Lüder, damals Parteitagspräsident, später Berliner Wirtschaftssenator und Bundestagsabgeordneter, erinnert sich: „Die wollten mit uns diskutieren, vielleicht sogar den Parteitag umfunktionieren, und wir haben heftig darüber gestritten, ob man mit so jemandem wie Dutschke überhaupt reden darf.“ Dann hätten sich Ralf Dahrendorf und Hermann Oxfort bereit erklärt, rauszugehen und mit den APO-Leuten zu sprechen. Der Soziologe Dahrendorf, der 1968 schon prominent und hoch angesehen war. Und der Rechtsanwalt Oxfort, FDP-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, der auf dem „revolutionären“ Freiburger Parteitag in den Bundesvorstand einrückte. Gemeinsam mit Hans-Dietrich Genscher und anderen Wegbereitern einer Regierungskoalition mit der SPD. Zum neuen Parteichef wurde Walter Scheel gewählt.

Draußen vor der Tür stand ein Fernseh-Übertragungswagen. Dutschke, Dahrendorf und Oxfort setzten sich aufs Dach. Ein spektakulärer Auftritt, bei dem eines der berühmtesten Fotos jener Zeit entstand. Unter den gebannten Zuhörern – der junge Rezzo Schlauch, heute ein Urgestein der Grünen. Wie kommt man zu Reformen, zu Veränderungen in der Gesellschaft? Übers Parlament oder über eine revolutionäre, außerparlamentarische Opposition? Das war das Thema; eine dreiviertel Stunde stritten sich die Kontrahenten. Dann musste Dutschke nach Karlsruhe fahren, zur nächsten Demo.

„Dahrendorf war Wissenschaftler, dem ließ man die Begegnung mit Dutschke durchgehen“, sagt Lüder. „Aber dem etablierten Parteimann Oxfort haben es viele Delegierte übel genommen.“ Oxfort, der am Freitag verstarb, gehörte 1968 zu den wenigen Berliner Politikern, die für eine faire Auseinandersetzung mit der APO warben. Er galt sogar als linksliberal. Aber mit der Zeit, so sagt es Lüder, hätten sich „seine wertkonservativen Wurzeln“ als stärker erwiesen.

Ein Jahr nach dem turbulenten Parteitag, der sich zur Abrüstungs- und Entspannungspolitik und zu einer offenen, sozialen und liberalen Gesellschaft bekannte, war aus der oppositionellen FDP eine Regierungspartei geworden. Mit dem SPD-Politiker Willy Brandt als Kanzler, mit Scheel als Außen- und Genscher als Innenminister. Dahrendorf wurde – wenn auch nur für einige Monate – Staatssekretär im Außenministerium. Und Oxfort? 1969 wollte der damalige Justizsenator Hans-Günter Hoppe den Vorsitz der Berliner FDP übernehmen. Aber der war dem Parteinachwuchs, den Jungdemokraten, zu konservativ. Sie schickten eine Delegation zu Oxfort mit der Bitte, zu kandidieren. Und so wurde er FDP-Landeschef.

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