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Berlin: Der Mensch ist nicht das Maß der Dinge

Zur Einführung des Ethik-Unterrichts an Berlins Schulen

Von Friedbert Pflüger Der Senat hat am vergangenen Dienstag die Einführung des Schulfaches „Ethik“ beschlossen. Damit hatte ein SPD-Landesparteitag im April 2005 SPD-Bildungssenator Klaus Böger beauftragt – gegen dessen Willen und Überzeugung. Böger war nicht der einzige Gegner des Fachs, auch Wolfgang Thierse und Franz Müntefering lehnten es ab, von den Kirchen ganz zu schweigen. Genutzt hat der Protest aber nichts.

Nun befasst sich das Abgeordnetenhaus mit der „Ethik“ in der Schule – für den CDU-Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger die letzte politische Chance, um die Einführung des Faches zu verhindern:

Der rot-rote Senat hat entschieden, ein bekenntnisfreies Wertefach „Ethik“ mit zwei Wochenstunden verpflichtend für alle Schüler der Klassen 7 bis 10 einzuführen – und damit den Religionsunterricht de facto abzuschaffen! Das ist in Deutschland einmalig. Ich teile die deutliche Kritik der Kirchen an den Plänen des Senats. Evangelische und katholische Kirche streiten – gerade auch mit Hinweis auf die multikulturelle Berliner Situation – mit Vehemenz und gutem Recht für eine Wahlmöglichkeit zwischen Ethik und Religionsunterricht. Die im Grundgesetz normierte Religionsfreiheit garantiert nicht nur die Freiheit von Religion, sondern auch die Freiheit zur Religion. Berlin ist religiös und weltanschaulich unterschiedlich. Deshalb darf man nicht ein Einheitsfach vorschreiben.

Es darf keinen Vorrang für eine Ethik ohne Religion gegenüber einer Ethik aus Religion geben. Ich habe nichts gegen Ethik-Unterricht. Aber Ethik-Unterricht anstelle des konfessionellen Religionsunterrichts reicht nicht. Schon in der Präambel unseres Grundgesetzes ist ein eindeutiger Gottesbezug und damit eine Hinwendung zu den christlich-abendländischen Werten unserer Kultur und Geschichte formuliert. Das muss sich in den bildungspolitischen Zielen und Inhalten wiederfinden.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Orientierungslosigkeit in unserer Gesellschaft und des allgemein zu konstatierenden Werterelativismus ist der Religionsunterricht an unseren Schulen gerade heute von besonderer Bedeutung. Täglich werden wir mit den Facetten der Globalisierung konfrontiert. In dieser schnelllebig gewordenen Welt wächst die Sehnsucht nach Halt, nach Konstanten und nach allem, was über den Menschen hinausweist. Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge. Zu spüren ist daher fast überall in der Welt eine Rückbesinnung auf die Religion. Der Staat hat nicht das Recht, die Religion zurückzudrängen, sofern ihre Ausübung auf der Grundlage des Rechts und ohne Intoleranz gegenüber anderen Geisteshaltungen erfolgt.

Berlin ist eine weltoffene und tolerante Stadt mit einer langen Tradition der freien Religionsausübung. Toleranz aber ist nicht Beliebigkeit. Toleranz setzt einen eigenen Standpunkt voraus. Deshalb müssen sich Eltern und Schüler alternativ zum Ethikunterricht ganz bewusst auch für ein gleichberechtigtes „Wahlpflichtfach“ Religion, sei es christlich, islamisch oder jüdisch, entscheiden können. Die verpflichtende Teilnahme am Ethik-Unterricht aber hebelt genau diese Wahlmöglichkeit aus. Der individuell gewünschte Religionsunterricht wird so aus ideologischen Gründen verdrängt.

Der Rahmenplanentwurf für den Ethik-Unterricht liest sich wie eine unverbindliche Ideensammlung. Als Leitfaden für den Unterricht taugt er kaum. Es steht zu befürchten, dass ein alleiniges Wertefach lediglich ein Sammelsurium von Weltanschauungen vermittelt, jedoch kein fundiertes Wissen über die Religionen. Gerade die Kirchen aber müssen einen festen Platz in unserem Schulsystem erhalten. Sie können den Berliner Schülerinnen und Schülern Werte wie Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Kultur- und Weltoffenheit sowie Mitmenschlichkeit und eben Toleranz vermitteln.

Durch die Pläne des Senats ist zudem die Chance vertan, dem Islamunterricht, der nicht selten problematische Tendenzen bis hin zu den unsäglichen Hasspredigten zeigt, durch einen staatlich verantworteten Islamkundeunterricht in deutscher Sprache entgegenzutreten.

Auch die Berliner Schüler und Eltern müssen sich, ganz so übrigens wie in den meisten anderen Bundesländern, zwischen Religion und Ethik-Unterricht entscheiden dürfen.

Friedbert Pflüger ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung, Mitglied im Bundesvorstand der CDU und Spitzenkandidat der Berliner Union zur Wahl des Abgeordnetenhauses am 17. September.

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