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Berlin: Der Name Jesus wird geschwärzt

Muslime rühmen sich ihrer religiösen Toleranz – zu Unrecht Von Paula Ramold

Ich habe Bilder aus einem Geschichtsbuch der American School in Kuwait gesehen, die bemerkenswert sind, weil sie auf Grund der staatlichen Zensur alle geschwärzt werden mussten. Diese Schule ist mir persönlich bekannt, aber die Vorgehensweise gilt für alle Schulen in diesem Land und anderen arabischen Staaten.

Die Amerikanische Schule in Kuwait ist eine Privatschule, die nach amerikanischem Lehrplan unterrichtet. Alle Bücher werden aus den USA importiert, müssen aber zuerst dem kuwaitischen Kultusministerium zur Zensur vorgelegt werden. In der 6. und 7. Klasse wird unter anderem das europäische Mittelalter durchgenommen. Das ist ohne eine Erwähnung der christlichen Kirche nicht zu vermitteln, denn die Kirche war staats- und kulturtragend. Das Mittelalter war christlich.

Aber in den Lehrbüchern der Amerikanischen Schule in Kuwait mussten alle christlichen Abbildungen schwarz übermalt werden, der Name Jesus wurde geschwärzt, viele Seiten waren ganz herausgerissen. Das Schwärzen mutete man den Schülern selbst zu. Nach Ausgabe neuer Bücher war es die erste Aufgabe der Kinder, nach Anweisung des Lehrers entsprechende Texte und Bilder mit Filzstift schwarz zu übermalen, so dass das Original nicht mehr erkannt werden konnte. An der Schule waren etwa 50 Prozent nichtmuslimische Kinder, ein hoher Prozentsatz waren Christen. Auch diese mussten der Anweisung Folge leisten. Der verantwortliche Lehrer (oft selbst Christ) musste sich bedingungslos den Vorschriften beugen, wenn er und seine Familie nicht ausgewiesen werden wollten.

Liest man jetzt verschiedene arabische Zeitungen, verurteilen sie nicht nur unisono die Karikaturen (was bei mir auf volles Verständnis stößt), sondern betonen immer wieder die Toleranz, die der Islam anderen Religionen entgegenbringt. Die „Gulf News“ schreiben am 2. Februar: „Es ist inakzeptabel, respektlose Kommentare über irgendeinen Glauben zu machen. Die UN sollten eine einheitliche Rechtsprechung verfassen, die alle Individuen, Publizisten und Länder bestraft, die dagegen verstoßen. Muslime haben niemals irgendeine Feindseligkeit gegenüber einer anderen Religion gezeigt. Würden die Dänen schweigen, wenn wir etwas Vergleichbares mit ihnen tun würden? Aber wir würden das ohnehin nicht tun, denn wir wissen, wie man andere Religionen respektiert.“ Die „Arab Times“ in Kuwait meinte am 30. Januar: „Die UN-Generalversammlung muss eine Resolution erlassen, die jegliche Angriffe auf religiöse Bekenntnisse verbietet. Der Dialog der Zivilisationen basiert auf gegenseitigem Respekt.“

Ja, dem stimme ich zu. Nur wissen offensichtlich viele Muslime nicht, wie von Staats wegen gegen Andersgläubige in ihren Ländern vorgegangen wird. Wir können nur besser miteinander umgehen, wenn wir mehr voneinander wissen. Deshalb möchte ich Muslimen zeigen, dass auch Christen viel erdulden in muslimischen Staaten.

Kuwait ist stolz darauf, eines der tolerantesten muslimischen Länder zu sein. Aber wie schätzen Menschen die Religion und Kultur eines anderen Staates ein, wenn bedeutende Kunstwerke davon in der Schule schon schwarz übermalt werden? Fördert dieses Vorgehen Verständnis und Toleranz, oder nicht etwa die Haltung, dass nur das Eigene schützenswert ist? Das scheint mir genau das Problem im Streit um die Karikaturen zu sein. Muslime fühlen sich tief verletzt und verurteilen ganz Europa, weil naive und dumme Karikaturen ihre Religion verhöhnten. Sie tun aber mit staatlicher Auflage Ähnliches mit Christen und ihren größten Kunstwerken.

2001 wurden in Afghanistan weltberühmte Buddha-Statuen zerstört. Trotz weltweiter Proteste tröstete man sich im Westen damit, dass man es mit einem fundamentalistischen, terroristischen Regime zu tun habe. Liegen die Wurzeln vom Vorgehen in Afghanistan nicht auch in der schulischen Erziehung, die wir in Kuwait erfuhren? Auch darauf gaben „Frauen, die wutentbrannt sind um Allahs willen“ in der „Arab Times“ eine Antwort: „Als die Götzenbilder von Buddha zerstört wurden, waren die Vereinten Nationen beunruhigt. Wir sind wutentbrannt wegen der Beleidigung unseres ehrwürdigen Propheten, der von Allah auserwählt ist, die endgültige Offenbarung der ganzen Menschheit zu vermitteln.“

Der Islam beharrt darauf, die einzig wahre Religion zu sein. Buddhisten sind Götzendiener, also folgert man, dass man die Statuen zerstören darf. Die Verherrlichung von Jesus als Sohn Gottes durch die Christen ist Vielgötterei. Also wird Jesus übermalt. Das nennen Muslime Toleranz! Sie erwarten Toleranz für ihre Religion, wenn sie in der Minderheit sind, sind aber nicht bereit, die gleiche Toleranz walten zu lassen, wenn sie in der Mehrheit sind!

Diese Diskrepanz muss zur Sprache kommen! Auch wenn es Muslimen nicht erlaubt ist, Gott oder Mohammed bildlich darzustellen, haben sie deshalb das Recht, Kunstwerke anderer Kulturen zu verunglimpfen oder gar zu zerstören? Muslime fühlen sich beleidigt, weil die heiligste Person des Islam verunglimpft wurde. Auch Meinungsfreiheit sollte einen „heiligen Raum“ achten. Für religiöse Menschen ist dies Gott und was mit ihm verbunden ist. Aber: für Christen ist dies eben Jesus. Darf ich als Christ dieses Recht nicht auch von Muslimen einfordern?

Die Autorin ist Studienrätin in Wien.

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