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© IMAGO/Markus Koeller

Der prominente Wochenrückblick : Ist Rapperin Ikkimel für den „Me Too“-Moment der Gen Z verantwortlich?

Die vergangene Woche spielte sich vornehmlich auf der Social-Media-Plattform TikTok ab. Rapperin Ikkimel soll hier den „Me Too“-Moment der Gen-Z geschaffen haben, während Sänger Peter Schilling seinen zweiten Frühling erlebt.

Stand:

Dass TikTok ein wesentlicher Bestandteil der heutigen Promi-Popkultur ist, ist gemeinhin bekannt. Dass davon auch die Musikindustrie betroffen ist, ebenso. Wenigstens das chinesische Unternehmen weiß das und versucht daraus Kapital zu schlagen. Am vergangenen Donnerstag wurde die hauseigene Vertriebsplattform „Sound On“ im Berliner Haus der Visionäre gelauncht – die, im Sinne der Plattform, Musiker noch enger an sich binden möchte.

Kulturpessimisten könnten behaupten, dass darunter die Qualität der Musik leiden wird und auch jetzt schon tut. Lieder, die auf ihre TikTok-Tauglichkeit komponiert und geschrieben werden, verlieren nachvollziehbar ihren künstlerischen Mehrwert. Es reicht, dass lediglich ein kleiner Schnipsel viral geht. Der Rest ist egal.

Um die Branche vom Gegenteil zu überzeugen, wurden zu besagtem Launch jede Menge wichtige Leute aus der deutschen Musikindustrie gelockt – ältere Herrschaften, die eher hinter den Kulissen agieren, und sehr junge Persönlichkeiten, die sich schon mit Haut und Haar der Plattform verschrieben haben. Außerdem, wohl um eine die Generationen verbindende Brücke zu schlagen, Sänger Peter Schilling, der Glamour-Gast des Abends.

Peter Schillings Song „Major Tom – völlig losgelöst“ landete über 40 Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung erneut in den Charts. 

© imago/eventfoto54

Der naheliegende Grund: Er ist einer der wenigen Altstars, der es durch TikTok wieder in die Charts schaffte. Sein Song „Major Tom – völlig losgelöst“ trendete rund um die EM 2024 – über 40 Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung – erneut. Schilling ist dafür natürlich ganz dankbar und glücklich, wie er im Rahmen eines Podiumsgespräches erzählte; endlich flatterten wieder viele Anfragen rein und auch sonst sei er in aller Munde. Außerdem sagte er, dass er an neuen Liedern arbeite und hier ganz besonders viel Anstrengung in die ersten 20 bis 30 Sekunden der selbigen lege.

Ich komme aus einer anderen Zeit. Ich mache oldschool Songwriting.

Peter Schilling, Sänger

Ein Schelm, der ihm deshalb die Hoffnung auf einen neuen TikTok-Hit unterstellt. Am Rande der Veranstaltung verriet er auf Nachfrage, nach so einem erneuten Erfolg „ist die Erwartung an eine neue Single besonders hoch. Nicht, dass die ganze Welt Spalier steht, aber die Menschen fragen sich: Was macht er jetzt?“ Wenn dann der neue Song komme, müssten die ersten 20 bis 30 Sekunden sitzen. Das hätte nichts mit TikTok zu tun. 

Ginge es ihm nur um die Viralität, dann hätte er gleich nach dem Erfolg im vergangenen Jahr eine neue Single-, ein neues Album veröffentlicht und auf jedem Stadtfest gespielt - was nicht passierte. „Wahrscheinlich gehe ich viel zu seriös vor, aber ich kann nicht anders. Ich komme aus einer anderen Zeit. Ich mache oldschool Songwriting.“ Dem Musikgott sei Dank. Sein neues Studio-Album erscheine übrigens im kommenden Jahr, spätestens nächsten Herbst.

Wir bleiben dran. Und bei TikTok. Und bei entsprechendem Songwriting: Die Berliner Skandalrapperin Ikkimel muss sich qua Geburtsjahr nicht viel Mühe geben, Erfolg im Digitalen zu haben. Wie der sich dann einstellt, ist dann oft trotzdem eine Überraschung. In den vergangenen Tagen jedenfalls ging die Kunde viral, dass Ikki, wie ihre Fans sie nennen, für den „Me too“-Moment der Gen-Z verantwortlich sei.

Ein bisschen Empowerment hat noch keinem geschadet

Tausende sehr junge Leute laden aktuell Videos hoch, auf denen sie selbst zu sehen sind und auf denen ein ganz bestimmter Teil von Ikkimels Songs „Who’s That“ zu hören ist: „Schon wieder Storno, ich bin immer noch die Gleiche. Nach sieben Wodka-Soda weiß ich nicht mehr, wie ich heiße. Aber du schon, du Hurensohn.“ Viele schreiben dazu von Erfahrungen, in denen sie sexualisierte Gewalt erlebten, die meisten aber von sogenanntem „Grooming“ – sprich von der gezielten Kontaktaufnahme Erwachsener mit Minderjährigen in Missbrauchsabsicht.

Ausgeschrieben liest sich das im Falle der TikTok-Nutzer dann häufig in etwa so: „Ich war 15 und er war 21. Ich wusste damals nicht, dass das problematisch ist. Aber du schon, du...“. Den „Me Too“-Vergleich zogen einige der Nutzer selbst. Wie viel (Selbst)Inszenierung, wie viel Wahrheitsgehalt und tatsächliches Trauma hinter den einzelnen Schicksalen steckt, bleibt offen und wohl nebensächlich. Ein bisschen Empowerment, wie die jungen Leute sagen, hat noch keinem geschadet.

Modischer Auftritt: Nicht nur Cardi Bs Outfits im Zivilprozess um Vorwürfe von Körperverletzung sorgten international für virale Momente.

© IMAGO/DUTCH

Und damit kommen wir zum viralen Höhepunkt der Woche: US-Musikerin Cardi B ist frei! Sie hat einen Zivilprozess um Vorwürfe von Körperverletzung gewonnen und muss nicht 24 Millionen Dollar an das vermeintliche Opfer bezahlen. Der Gerichtsstreit drehte sich um einen Vorfall im Jahr 2018. Die damals mit ihrem ersten Kind Schwangere wollte eine Arztpraxis aufsuchen. Im Anschluss behauptete eine Sicherheitsmitarbeiterin des Gebäudes, sie sei von der Musikerin angegriffen und dabei verletzt worden.

Cardi B hatte das bestritten. Sie habe sich von der Frau, die wohl ein Video mit ihrem Smartphone drehte, bedrängt gefühlt. Es sei zwar zu einem verbalen Streit gekommen, aber sie habe sie nicht berührt.

Insbesondere wegen Bs schlagfertigem und modischem Auftreten waren Videos von der im TV ausgestrahlten Gerichtsverhandlung in den sozialen Medien äußerst beliebt. Die meisten Nutzerinnen waren sich ob ihrer Unschuld schon längst im Klaren. Cardi wiederum nutzte die Aufmerksamkeit und vertrieb spontan limitierte Editionen ihres neuen Albums. In diesem Sinne: Ka-Ching und herzlichen Glückwunsch!

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