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Berlin: Der Staatsoper bricht die Bühne weg

Von Lothar Heinke Mit dem Appell, eine Sanierung der Staatsoper nicht weiter auf die lange Bank zu schieben, verabschiedet sich jetzt Intendant Georg Quander nach elf Jahren vom Opernhaus Unter den Linden. „Wenn der technische Zustand des Hauses nicht grundlegend verbessert wird, laufen wir Gefahr, nur noch eingeschränkt spielfähig zu sein“, sagt der Intendant im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Von Lothar Heinke

Mit dem Appell, eine Sanierung der Staatsoper nicht weiter auf die lange Bank zu schieben, verabschiedet sich jetzt Intendant Georg Quander nach elf Jahren vom Opernhaus Unter den Linden. „Wenn der technische Zustand des Hauses nicht grundlegend verbessert wird, laufen wir Gefahr, nur noch eingeschränkt spielfähig zu sein“, sagt der Intendant im Gespräch mit dem Tagesspiegel. So ist es sehr fraglich, ob die erfolgreiche „Zauberflöte“ in der nächsten Spielzeit noch aufgeführt werden kann. Die Klage des Intendanten deckt sich mit dem Ergebnis einer vom Land Berlin in Auftrag gegebenen Studie. Sie bezeichnet den Zustand des Hauses als „unzureichend bis verhängnisvoll“.

„Schlimmstenfalls haben wir nur noch die flache Bühne zur Verfügung und müssen irgendwelche Dekorationsteile per Hand nach vorn oder zur Seite schieben“ sagte Quander. „Wenn uns die Technik ausfällt, können wir einen Großteil unserer Inszenierungen überhaupt nicht mehr spielen.“ Die Hydraulik, die die großen Bewegungsabläufe auf der Bühne mit ihren schweren Lasten steuert, stammt noch von anno 1925/26. Nach fast 80 Jahren läuft die Anlage nicht mehr einwandfrei. Das gilt auch für die elektronische Steuerung, die in den 80er Jahren eingebaut wurde, für die es nach dem Ende der DDR keine Ersatzteile mehr gibt. Das Gerät macht manchmal, was es will: „Man drückt drauf, und das Ding fährt nicht nach oben, sondern nach unten. Wenn man Pech hat, mit einem ziemlichen Karacho. Und da hängen Gewichte dran, hunderte von Kilo“. Georg Quander, seine Techniker und Künstler leben gefährlich. „Nein, ich beneide meinen Nachfolger Peter Mussbach nicht.“ Ihm steht hoffentlich bevor, was Georg Quander fordert – eine Generalsanierung.

Die Notwendigkeit unterstützt auch eine Ende letzten Jahres vom Land Berlin in Auftrag gegebene, dem Tagessspiegel vorliegende Zielplanung und Kostenanalyse. In ihr listen der Architekt Gerhard Spangenberg und zwölf Mitarbeiter die derzeitigen Mängel auf und machen Vorschläge zu deren Beseitigung. Der Befundsbericht, quasi die Krankenakte des Knobelsdorff-Baues, beginnt mit den Worten: „Die Oper befindet sich heute in einem Zustand, in dem auf Verschleiß gefahren wird. Es herrscht eine Verschwendung an Arbeitskraft durch eingeschränkte Übermittelbarkeit der künstlerischen Leistungen an das Publikum, durch schlecht zu organisierende Abläufe und veraltete und anfällige Technik“. Der Zustand des Opernbetriebes wird als „unzureichend bis verhängnisvoll und von mehr oder weniger latenter Unrechtmäßigkeit“ bezeichnet. Dies betreffe den Zustand der Gebäude und die damit einhergehende Sicherheit des Publikums, der künstlerischen Akteure und des technischen Personals. „Zum Beispiel stellt die Bühnentechnik durch permanente Havarien eine akute Gefahr für Leib und Leben der dort Arbeitenden dar. . . Die künstlerische Produktion muss permanente Behinderungen hinnehmen. Die künstlerische Leistung kann dem Publikum nicht vollständig und nur mit Qualitätseinbußen übermittelt werden“.

Wer in dem berühmten Haus Unter den Linden tätig ist, mag sich an den Zustand seines Arbeitsplatzes, an die braune, bröckelnde Farbe in den Treppenaufgängen und die heftig renovierungsbedürftigen Garderoben gewöhnt haben – ein Besucher von draußen erlebt die Diskrepanz zwischen Anspruch und künstlerischer Leistung einerseits und der etwas tristen Wirklichkeit hinter den Fassaden andererseits mit gemischten Gefühlen. Die Zielplaner haben noch andere Schwachstellen entdeckt: Die Akustik im Zuschauerraum sei auf Dauer nicht akzeptabel. Die Sicht von den Seitenrängen ist problematisch. Die Transportsituation der Dekorationen verhindert effizientes und kostengünstiges Arbeiten. Der Brandschutz ist ungenügend und „zum Teil nicht vorhanden“. Die Standsicherheit von Teilen des Gebäudes ist gefährdet. Grundwasser dringt ins Opernhaus. Die technische Ausrüstung ist in nahezu allen Teilen überaltert, zu leistungsschwach und unzulässig. In den Zuluftkanälen steht Wasser, sie sind stark von Schimmelpilz befallen. Ansaugöffnungen für die Zugluft befinden sich ebenerdig im Straßenbereich – Auspuffgase werden angesaugt.

Die Gutachter liefern gleich die Lösung der Probleme in vier Varianten. Die „Vorzugsvariante“ sieht einen modernen Zuschauerraum mit einem vierten Rang vor, womit sich die Platzzahl von heute 1396 auf 1675 erhöhte. Das Haus müsste während des Umbaus nicht vollständig geschlossen werden, die Gesamtbaukosten beliefen sich auf rund 200 Millionen Euro. Variante A – mehr Reparatur denn Erneuerung – würde die Hälfte kosten, aber das Haus für zwei Jahre schließen. Aber das scheint angesichts leerer Kassen Zukunftsmusik, zumal zu hören ist, dass die Denkmalpflege tiefe Eingriffe in die Gestalt der Oper ablehnt.

Georg Quander möchte, dass endlich etwas geschieht und wenigstens mit „Notmaßnahmen“ der Spielbetrieb aufrecht erhalten wird. Die Bauverwaltung hat kein Geld für grundlegende Maßnahmen. Sie wird aber, wie uns gestern versichert wurde, Schäden, die den Spielbetrieb gefährden, zum Beispiel beim Bühnenboden, „baulich sichern“. Als kleiner Anfang…

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