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Berlin: Der Widerspenstigen Zähmung

Sollen wilde Tiere in der Manege verboten werden? Der Bundesrat will das durchsetzen, die Zirkusleute wehren sich. Ein Pro&Contra

„Menschen – Tiere – Attraktionen“ will der Zirkus Berolina ab 20. Dezember auf dem Zentralen Festplatz am Kurt-Schumacher-Damm zeigen – mit 50 Kamelen, einem 24er-Zug edelster Rassepferd und der Tigerin „Radja“, die auf der Elefantendame „Kenia“ reitet. Die Tiger-Elefanten-Dressur wurde auf dem Zirkusfestival in Monte Carlo als Weltsensation gefeiert.

Möglicherweise wird der Zirkus den Programmtitel demnächst ändern müssen – „Menschen – ganz wenig Tiere – Attraktionen“ blieben übrig, wenn das Vorhaben des Bundesrats verwirklicht würde, die Haltung wild lebender Tiere zu verbieten. Der Bundesrat hat die Bundesregierung aufgefordert, eine entprechende Verordnung zu erlassen.

Dagegen haben vergangene Woche in Berlin Zirkusleute aus ganz Deutschland demonstriert – auch die vom Zirkus Berolina. „Wir halten 120 Tiere“, sagt Melanie Spindler, „und an unserer Tierhaltung ist nichts auszusetzen. Unsere Elefanten haben sogar Freigehege, und wir glauben, die vor zwei Jahren von der Verbraucherministerin Künast herausgegebenen Leitlinien für die Haltung von Tieren im Zirkus sogar überzuerfüllen.“ Natürlich gebe es unter den etwa 400 Zirkussen in Deutschland auch Übeltäter, deren Treiben könnten aber die Behörden mit Auflagen und stärkeren Kontrollen begegnen.

Zirkus ohne Tiere – das konnten sich bei einer Umfrage des RBB in dieser Woche auch 64 Prozent der dazu angesprochenen Berliner nicht vorstellen. Auch Privatleute halten Wildtiere mitunter so, dass sie eher ein Hunde- als ein artgerechtes Leben führen.

Bernhard Paul vom Circus Roncalli befürchtet, dass das geplante Verbot von Elefanten, Tigern und Bären der Anfang vom Ende ist. „Wir haben zwar nur Pferde, aber einige Tierschützer werden keine Ruhe geben, bis auch der letzte Wellensittich der Oma weggenommen ist.“ Das Problem sei außerdem: Wohin mit den Tieren? „Kein Zoo in Deutschland kann zusätzlich auch nur eine Maus aufnehmen“, sagt der Roncalli-Chef. Das Zirkustierverbot sei wie das Dosenpfandgesetz am Schreibtisch entstanden. „Wir leben nicht mehr im Paradies, auch die Menschen nicht“, sagt er, „die Tiger im Zoo haben es doch besser als die Arbeiter bei VW am Fließband.“ In einigen Zirkussen gebe es vielleicht zu wenig Geld und zu wenig Fachkenntnis – aber an Tierliebe mangele es nie.

„Wir haben knapp 200 Tiere“, sagt Frank Keller vom Zirkus Krone, „was sollte damit werden? Die Behörden denken nicht an die Konsequenzen.“ Und ein Zirkus ohne Tiere – so etwas gehe auch gar nicht. „Gucken Sie ins Lexikon“, sagt Keller, „da steht, dass Zirkus ein Unternehmen für Pferdekunst, Tierdressur, Akrobatik und Clownerie ist.“

Handlungsbedarf sieht er trotzdem. Die Leitlinien zur Haltung von Zirkustieren sollten strenger kontrolliert werden – darüber habe erst im Oktober anlässlich des Gastspiels des Zirkus Simoneit-Barum in Würzburg die Gesellschaft für Zirkusfreunde und die tierärztliche Vereinigung für Tierschutz beraten. „Wir haben kein Rechtsetzungs-, sondern ein Vollzugsproblem“, hatte der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Verbraucherschutzministerium, Gerald Thalheim, bereits in der Bundesratssitzung vom 26. September gesagt.

Meist unbekannte „Gammelzirkusse“ haben die Branche in Verruf gebracht – davon ist auch Harald Ortlepp von Circus Busch-Roland überzeugt. Die vorhandenen Bestimmungen reichten aus, wenn die Behörden sie strenger durchsetzten. Ohne Tiere blieben dem Zirkus die Hälfte der Besucher weg – „die kommen mit Kindern, und die wollen Elefanten sehen“.

Tiere im Zirkus hält der Zoo-Tierarzt Andreas Ochs nicht mehr für zeitgemäß und vertretbar, und die Angst um noch vorhandene für unbegründet. Für die gebe es eine Haltungsgenehmigung. Nur neue dürfen nicht mehr erworben werden: „Elefanten sind schon Auslaufmodelle.“

Bei der Zirkus-Demonstration am Mittwoch haben durchaus nicht alle Betroffenen mitgemacht. Die Tierhalter von Busch-Roland zum Beispiel wollten nicht auch noch durch den Stau die Berliner gegen sich aufbringen.

Heidemarie Mazuhn

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