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Eingerüstet. Das Deutschlandhaus an der Stresemann-/Ecke Anhalter Straße in Kreuzberg wurde Ende der 1920er Jahre im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet. Jetzt läuft der Umbau. 

© Kai-Uwe Heinrich

Exklusiv

Sitz der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung Versöhnung: Deutschlandhaus in Berlin wird 16 Millionen Euro teurer

Der Bau in Berlin-Kreuzberg wird teurer, die Eröffnung der Ausstellung zu Flucht, Vertreibung, Versöhnung verschiebt sich. Und bei der Benennung des Beratergremiums der Stiftung gibt es massive Probleme.

Von Sabine Beikler

Erst fand die Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung lange Zeit keinen Direktor, den dritten seit Gründung 2009, dann störten deutsch-polnische Misstöne die historisch anspruchsvolle Arbeit der Stiftung. Am Montag soll nun das Richtfest im Deutschlandhaus in der Stresemannstraße gefeiert werden. Als positiver Meilenstein in der bisher schwierigen Entstehungsgeschichte der Stiftung gedacht, doch es wird am Montag nicht nur eitel Sonnenschein aufkommen: Nach Tagesspiegel-Informationen wird der mit 37 Millionen Euro geplante Bau um 16 Millionen Euro teurer wegen unerwarteter Probleme mit der Statik des Gebäudes. Projektleiterin ist das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Darüber wurde dem Vernehmen nach der Stiftungsrat informiert.

Haushaltsbudget muss wohl verdoppelt werden

Zudem muss wohl in Zukunft das Haushaltsbudget für die Stiftung von 2,5 Millionen Euro pro Jahr um das Doppelte deutlich erhöht werden. Denn nach Einzug der Stiftung werden allein Mietkosten in Höhen von zwei Millionen Euro pro Jahr an die Bundesanstalt für Immobilien (BIMA) fällig. Die Stiftung mietet sich bei dieser ein und nutzt 40 Prozent der Fläche für eine Dauerausstellung und die Mitarbeiter. Für die Erstausstattung wurden 8,6 Millionen Euro bewilligt. Aber mit den Mietkosten werden die 2,5 Millionen Euro pro Jahr nicht ausreichen. Von Monika Grütters, der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) ist zu hören, dass man selbstverständlich eine Angleichung des Budgets in den laufenden Haushaltsberatungen einplane. Grütters geht davon aus, dass der Eröffnungstermin der Stiftung 2018 ist. Doch der Termin ist nach Experten-Meinungen kaum realistisch. Der Bau soll statt 2017 erst 2018 fertig sein. Außerdem soll es ein gutes Dreivierteljahr dauern, um im Deutschlandhaus die Ausstellung aufzubauen. Eine weitere Verzögerung.

Monika Grütters soll die Berliner CDU im Dezember übernehmen. (Archivbild)

© dpa

Um die Besetzung des wissenschaftlichen Beraterkreises, der am Montag vom Stiftungsrat gewählt werden soll, schwelt ein Dauerstreit. Schon die Gründung der Stiftung 2009 unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums war ein Kraftakt. Lange hatten Vertriebenenverbände, allen voran die langjährige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, diese Stiftung gefordert. Schließlich konnte man sich auch mit wissenschaftlichen Beratern aus Polen und Tschechien auf das Konzept einer Dauerausstellung einigen. Doch dann brodelte es. Der frühere Direktor Manfred Kittel brüskierte die Fachberater mit der Übernahme einer belanglosen Wanderausstellung, die am Anspruch der Stiftung, die Vertreibung der Deutschen im europäischen Kontext und die Versöhnung mit den Nachbarn darzustellen, völlig vorbei ging. Kittel wurde 2014 aus dem Amt vertrieben. Dann begann die unrühmliche Suche nach einem Nachfolger. Kommissarisch übernahm Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die Stiftung. Seit April 2016 hat Gundula Bavendamm, die frühere Leiterin des Alliiertenmuseums, den Direktorenposten übernommen.

Es fehlt ein polnischer Kandidat für den wissenschaftlichen Beraterkreis

Monika Grütters lobt Bavendamm, die ihre Aufgabe „hochprofessionell“ angehe. Doch die Neubesetzung des wissenschaftlichen Beraterkreises gestaltet sich schwierig. Es werden am Montag vom Stiftungsrat nicht mehr 15, sondern noch zwölf Berater in das wichtige Gremium berufen. Aber nach wie vor ist man auf der Suche nach einem polnischen Vertreter. Im BKM wird betont, es sei der „politische Wille", einen Vertreter aus Polen dabei zu haben. Doch noch hat Bavendamm keinen polnischen Kandidaten. Aufgrund der innenpolitischen Situation in Polen sei das außerordentlich schwierig, sagte sie dem Tagesspiegel.

„Das ist Chefinnen-Sache. Wir haben Grütters darum gebeten, sich zu kümmern“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Hiltrud Lotze, zugleich Mitglied im Stiftungsrat. Kurt Brähmig, als Bundestagsabgeordneter für die CDU im Stiftungsrat, möchte sich dazu nicht öffentlich äußern. Aber auch die Opposition betont die Notwendigkeit, einen polnischen Vertreter im Beraterkreis zu haben. „Die neue Direktorin hat einen schweren Job und viele Aufgaben. Es liegt am BKM sich darum zu bemühen“, forderte Sigrid Hupach, kulturpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. Und Volker Beck, bei den Grünen für Religions- und Migrationspolitik zuständig, versteht, „dass man die Stiftung mit spitzen Fingern anfasst nach der unliebsamen Vorgeschichte mit Erika Steinbach und dem rücksichtslosen Lobbyismus des Bundes der Vertriebenen.

Wird ein US-Historiker wissenschaftlicher Berater?

Aber es ist ein geschichtspolitisch wichtiges Projekt. Und damit kann man viel kaputt machen, wenn man nicht sorgfältig damit umgeht und sich entsprechend hineinkniet“. " Beck fordert, dass die „osteuropäischen Perspektiven“ im Beraterkreis angemessen vertreten sein müssten. „Sonst funktioniert der Gedanke der Versöhnung nicht und reißt das Projekt neue Gräben auf.“

Dass Grütters am Montag noch einen polnischen Vertreter präsentiert, ist unwahrscheinlich. Nach Tagesspiegel-Informationen soll unter anderem der US-Historiker Norman Naimark wissenschaftlicher Berater werden. Mit der Benennung des Beratergremiums ist zumindest ein großer Schritt getan für die konzeptionelle Arbeitsfähigkeit der Stiftung.

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