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Berlin: Dicke Luft

Nichtraucher haben seit kurzem ein Recht auf einen qualmfreien Arbeitsplatz – doch selbst bei den Grünen wird das nicht ausreichend beachtet

„Stört es Sie, wenn ich rauche?“ Die Antwort auf diese oft rhetorisch gemeinte Frage brauchten Raucher bis vor kurzem gar nicht abzuwarten. Sie konnten einfach zur Zigarette greifen – und ihre Kollegen saßen im Qualm. Inzwischen ist das anders. Die seit Oktober 2002 geltende Arbeitsstättenverordnung garantiert allen Nichtrauchern einen qualmfreien Arbeitsplatz. Ein enormer Erfolg, findet Bernd Köppl, der ehemalige gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Grüne. Noch vor wenigen Jahren war der bekennende Nichtraucher mit einem entsprechenden Schutzgesetz gescheitert.

Reine Luft in allen Büros also? Nicht ganz. „Die Theorie ist das eine, die Praxis das andere“, sagt Andreas Schmidt vom Berliner Nichtraucherbund. In vielen Bezirksämtern werde weitergequalmt, weil der Nichtraucherschutz nicht in der Hausordnung verankert sei. Allein in Pankow und Neukölln gelte ein ausdrückliches Rauchverbot. Auch Claudia Hämmerling, der Grünen- Sprecherin für Verbraucherschutz, geht das Qualmverbot nicht weit genug. Trotz neuer Regelung dürfe weiter geraucht werden – wenn die Kollegen es tolerieren. Nicht immer hätten Nichtraucher den Mut, auf ihrem Recht zu bestehen: Selbst in der Grünen-Geschäftstelle wird der Nichtraucherschutz nicht ausreichend beachtet, bedauert Hämmerling. Ihre Schlussfolgerung: Ohne absolutes Rauchverbot geht es nicht. Für einen entsprechenden Antrag gibt es unter den Grünen aber keine Mehrheit.

Die neue Verordnung ist vielen Betrieben nicht einmal bekannt. Bei Verstößen gegen den Nichtraucherschutz bleibt es deshalb meist bei einer Ermahnung, sagt der Sprecher des Landesamtes für Arbeitsschutz (Lagetsi), Robert Roth. Bislang wurden nur einzelne Betriebe kontrolliert. Für grundsätzliche Aussagen über Verstöße sei es zu früh.

Gar nicht erst auszurücken bräuchten die Lagetsi-Mitarbeiter in rund 100 Berliner Betrieben, in denen das Rauchen im Büro schon jetzt per Hausordnung verboten ist. Bei der Berliner Bank etwa, beim Immobilien-Unternehmen Bendzko oder in zahlreichen Rechtsanwaltspraxen. Schwierigkeiten beim Durchsetzen des Rauchverbotes gab es meist keine. Mitarbeiter einigten sich untereinander auf eine entsprechende Regelung. Oder ein gesundheitsbewusster Chef ordnete sie an. „Nichtraucher sind fittere Mitarbeiter“, sagt Ulrich Bendzko.

Gezwungen, für eine Zigarette vor die Tür zu gehen, verabschiedeten sich einige Raucher sogar von dem Laster. „Einige haben aufgehört oder rauchen zumindest weniger“, sagt Robert Mischau, Geschäftsführer der gleichnamigen Fleischwarenfirma in Spandau. Seit vier Jahren müssen selbst die Verwaltungsmitarbeiter zum Rauchen vor das Fabrikstor gehen. „Am Anfang wurde ein wenig gemurrt“, sagt Mischau. Inzwischen sei das Rauchverbot jedoch kein Thema mehr.

Besonders engagiert hat sich das Berliner Herzzentrum. Es schloss die Raucherzimmer der 1200 Mitarbeiter und bot als erstes Krankenhaus Deutschlands rauchenden Mitarbeitern und ihren Partnern Entwöhnungskurse an. Rund 100 der 400 Raucher nahmen teil .

Frauke Herweg

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