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Berlin: Die Bahnhofsmission sucht Mobiliar für ihre neue Bleibe

Helga Fritz hat eine liebevolle Umschreibung für ihre Arbeit parat. "Bei uns ist jeder Tag wie ein Überraschungsei.

Helga Fritz hat eine liebevolle Umschreibung für ihre Arbeit parat. "Bei uns ist jeder Tag wie ein Überraschungsei. Man weiß nie, was einen erwartet." Mal klopft ein Flüchtling an die Tür der Bahnhofsmission und fragt nach dem Weg zum Amt, mal muss ein verwirrter alter Mensch zurück ins Heim begleitet werden. Was aber die elf hauptamtlichen, sechs Zivildienstleistenden und etwa 30 Ehrenamtlichen der ökumenischen Bahnhofsmission am Zoo besonders bewegt, das merkt man bei einem Besuch schnell. Menschen ohne Obdach, ohne Heimat.

Menschen wie Dieter. 30 Jahre ist der Mann jung, aber seine Lebenserfahrung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Wenn er von Kindheit und Jugend erzählt, fallen Worte, hinter denen sich Leid und Schmerz verstecken: Heim, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit. Dieter hat sich jahrelang unter Brücken und auf einer Baustelle häuslich eingerichtet. "Da gab es schon Strom- und Wasseranschlüsse, ich hatte Glück." Der gelernte Handelsfachpacker hat trotzdem immer Wert auf sein Äußeres gelegt, will harten Drogen widerstanden haben, sucht jetzt Arbeit. Derzeit lebt er in einem Flüchtlingswohnheim, in einem Zwei-Bett-Zimmer, "doppelt so groß wie der Raum hier", sagt Dieter und beschreibt mit seinen Armen ein Kreis.

Auf den Stühlen und Holzbänken des Vorraums der Bahnhofsmission sitzen zumeist Männer. Sie essen Stullen, trinken Tee und Kaffee. Manch einer fragt, ob er einen halben Laib Brot mitnehmen kann. Die Lebensmittel liefern die ehrenamtlichen Helfer der Berliner Tafel, auch Konditoren wie die Bäckerei Meyer bringen täglich gratis Brot und Brötchen vorbei. "Die Leute stehen oft bis in den Bahnhofstunnel Schlange", berichtet Geschäftsführerin Sigrid Funke vom Verein "In Via" für katholische Mädchensozialarbeit für das Erzbistum Berlin. Doch längst nicht die ganze Arbeit lässt sich derart günstig organisieren.

Wie berichtet, sieht Bahn-Geschäftsführer Helmut Mehdorn - im Gegensatz zu vielen Bahnkunden - Obdachlose nicht gern auf Bahnsteigen, die Bahnhofsmissionen sollen deshalb ihre Domizile räumen. Natürlich ist auch die Mission am Zoo, die täglich 500 Essen ausgibt und im Jahr 2000 über 222 000 Menschen, darunter 87 000 Obdachlose betreute, ganz und gar nicht glücklich über den Vorstoß. Andererseits sehen die Betreiber in neuen Räumlichkeiten auch neue Chancen. "Wir möchten die Menschen künftig mehr beraten, ihnen bei der Arbeits- und Wohnungssuche helfen", sagt Helga Fritz. Derzeit gibt es Gespräche zwischen der Deutschen Bahn AG und der Bahnhofsmission von Caritas und Diakonie - aller Voraussicht nach wird die Obdachlosenarbeit bald in die unentgeltlich zur Verfügung gestellten Räume unter den S-Bahn-Bogen Tiergarten ziehen.

"Dort fehlt so gut wie alles", sagt Sigrid Funke, "wir brauchen Mobiliar für den Aufenthaltsraum, die komplette Küche mit Industriegeschirrspülmaschine, Koch und Essgeschirr, Büromöbel, PC und Faxgerät." Nun hoffen die Frauen auf die Großzügigkeit der Tagesspiegel-Leser. Sigrid Funke: "Wir haben vor Freude einen Luftsprung gemacht, als wir hörten, dass wir in die Spendenaktion aufgenommen wurden."

Annette Kögel

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