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Berlin: Die billige Lösung

Architekturbüro will den Palast der Republik zur Ausstellungsfläche für Museen machen – bis das Geld für den Schlossneubau da ist

Für den Palast der Republik hat die letzte Stunde geschlagen. Zur „Bergbesteigung“ darf man noch einmal hinein, aber die Motoren der Abbruchbagger heulen quasi schon. Da kommt, eine Minute vor Zwölf, der Hilferuf eines renommierten Berliner Architektenbüros: „Lasst das Haus nicht untergehen! Wir haben die Lösung, wie man in zwei, spätestens drei Jahren – und nicht erst in 15 oder 20 – die Kunst aus den Dahlemer Museen auf den Schlossplatz holen könnte.“ Dazu müsste man den Palast nicht abreißen, sondern könnte ihn zu einer Art Centre Pompidou wie in Paris umbauen: Die Kunst käme ganz nah an die Museumsinsel. Und erst wenn das Geld für den Neubau des Schlosses vorhanden ist, kann der Palast weichen. Bis dahin aber sollte der ausgebaute Rohbau genutzt werden.

Die Idee kam dem Büro „Anderhalten Architekten“, als es jüngst den Marstall neben dem Palast für die Musikhochschule „Hanns Eisler“ umbaute. Im Marstall saß früher die Palast-Verwaltung, da gibt es einen Gang unter der Straße ins entkernte Haus. „Unabhängig von allen ideologisch geprägten Diskussionen stellt der verbliebene Baukörper einen beträchtlichen Wert dar, den man vor dem Hintergrund der gegenwärtigen finanziellen Situation Berlins nicht ohne weiteres abreißen kann“, sagt Claus Anderhalten.

Die 30köpfige Architekten-Crew aus der Köpenicker Straße in Mitte fand gewissermaßen eine Schlosslücke: „Ideen zur Nutzung des Areals gab und gibt es viele, auch Bilder zum Wiederaufbau des Schlosses sind zur Genüge vorhanden. Was fehlt, sind Visualisierungen zur Nutzung des Palastes“.

Also entdeckte man eine vollkommen neue Bestimmung in der alten, ein wenig aufgehübschten Hülle und nannte das Ganze „WeltKulturPalast“. Im umgebauten Palast lassen neue, kleinteiligere Fensterflächen, die an ein modernes Büro erinnern, eine Fülle von Licht und Helligkeit ins Innere. Die Architekten geben dem Rohbaukörper drei Bestimmungen: Auf der dem Dom zugewandten Seite, im einstigen Volkskammertrakt, soll es ein „Labor für Gegenwartskunst“ geben, einen Saal sowie Ausstellungs- und Darstellungsflächen für Malerei, Plastik, Musik, Video, Lesungen, Tanz, Konzerte, vielleicht auch Ateliers. Im mehrgeschossigen Mittelteil – über dem Eingangsbereich – ist ein Skulpturensaal geplant; rechts daneben, im Areal vom jetzigen Großen Saal, soll es einen mehrgeschossigen Ausstellungsrundgang geben. An der Außenfront im Parterre könnten eine Anzahl Geschäfte und Cafés die Besucher der City anlocken.

Claus Anderhalten beschreibt die Vorteile dieser Nutzung so: „Während nach dem Abriss des Palastes die Mitte Berlins über Jahrzehnte durch eine Stadtbrache gekennzeichnet wäre, könnten im umgebauten Palast mit relativ geringen Investitionen die Sammlungen der Dahlemer Museen und während des Umbaus auch Bestände der Museumsinsel in einer Art Schaudepot untergebracht und der Öffentlichkeit präsentiert werden“. Nach Anderhaltens Berechnungen lassen sich im umgebauten Palast etwa 106 000 Quadratmeter Fläche schaffen – nahezu das Doppelte vom ehemaligen Stadtschloss. Dabei stehen innerhalb der Palasthülle noch großzügige Reserveflächen für Skulpturen, Lichthöfe und Veranstaltungssäle zur Verfügung.

Was kostet das alles? In der Wochenzeitung „Die Zeit“ war jüngst der Gesamtwert des derzeitigen Palastrohbaus mit all seinen teuren Stahlträgern auf 110 Millionen Euro geschätzt worden, plus 85 Millionen, die die Asbestsanierung gekostet hat. Mit den auf (mindestens) 20 Millionen geschätzten Abrisskosten wären also über 200 Millionen Euro einfach weg – damit die teuerste Grünanlage der Welt entsteht. Der Umbau des Palastes käme laut Architekt billiger: „Als Investitionsbedarf haben wir bei reduzierten Eingriffen in den Bestand, angemessenem Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz und einer Teilklimatisierung entsprechend dem Museumsstandard 60 Millionen Euro kalkuliert. Dies entspricht etwa zehn Prozent der zur Rekonstruktion des Schlosses veranschlagten Summe. Darüber hinaus kann der Palast zügig umgebaut werden, da der Rohbau vorhanden ist und nach der Fassadeninstandsetzung der Ausbau unabhängig vom Wetter ausgeführt werden kann.“

Die Architekten haben Erfahrung beim Um- und Einbau alter Bestände, vor allem für die öffentliche Hand. In Cottbus wurde ein ehemaliges Dieselkraftwerk zur Kunstsammlung, auf der Burg Giebichenstein in Halle ein Laborgebäude zum Institut für industrielle Formgestaltung, „Revitalisierung“ nennt sich das wohl. Ganz neu dagegen ist der Anbau für das alte Gebäude des Verbraucherschutzministeriums in der Wilhelmstraße.

Claus Anderhalten bemüht den gesunden Menschenverstand: In einem halben Jahr wäre die neue Palast-Hülle fertig, der Rest geht schnell, dann können die Schätze aus Dahlem nach Mitte kommen. Wer den Palast abreißt und so einen Wert vernichtet, ohne zu wissen, wie es weitergeht, riskiert, dass sich der Umzug der Kunst nach Mitte um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte verzögert. „Ob es dann überhaupt noch die Bereitschaft dazu gibt?“ fragt der Architekt. „Und was könnte in zehn Jahren der Stadt an dieser Stelle an Kunst geboten werden? Wie viel Einnahmen kämen uns zugute?“

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