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Berlin: Die Elenden auf der Baustelle des Westens

Zwischen Kompressor und Schlagbohrer haben die Proben für das Musical „Les Misérables“ begonnen. Die Darsteller studieren Texte von Heinz-Rudolf Kunze ein

So sehen also Gewinner eines Spiels „38 aus 1000“ aus: jung, fröhlich und verschwitzt. Allesamt stehen mitten auf einer Baustelle. Vor dem Fenster dröhnt ein Kompressor, vor der Tür lässt ein Trupp Maurer die Wände wackeln: Kein allzu angenehmer Ort, um ein Riesenlos zu feiern, das die jungen Menschen gezogen haben. Sie sind die 38, die aus 1000 Bewerbern für eine Rolle im Musical „Les Misérables“ ausgewählt wurden. Gestern begannen auf der Baustelle des Westens, die eines Tages wieder das Theater des Westens sein soll, die Proben für das Stück nach Victor Hugos Roman „Die Elenden“. Und damit es den Darstellern inmitten von Baustaub und Lärm nicht allzu elendig wird, gab’s für sie zum Auftakt eine bunte Les-Misérables-Torte.

Prominenter Helfer beim Anschnitt: Heinz-Rudolf Kunze. Der Sänger („Dein ist mein ganzes Herz“) wird allerdings keine Gastrolle in dem Musical übernehmen. Schließlich ist er der Autor der deutschen Fassung. 1987 hatte er die Übersetzung des Stücks von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg für eine Produktion in Wien übernommen. „Eine ungewöhnliche Fügung“, erinnert sich Kunze. Der Konzertveranstalter Marek Lieberberg, der einst „The Who“ nach Deutschland holte und später die Tourneen von solchen Ikonen wie Madonna, Elton John und Bruce Springsteen veranstaltete, hatte sich die Rechte an dem Stück gesichert. Lieberberg bat Kunze um die Übersetzung – anderthalb Jahre hat sie gedauert. „Der extrem anspruchsvolle Stoff hat die Dichte einer großen Oper“, sagt Kunze. Und scherzhaft setzt er hinzu: „Schlimmer hätt’s nicht kommen können.“ Die Arbeit habe ihn damals so in Anspruch genommen, dass „ich meine eigene Platte vernachlässigt habe“.

Spätestens zur Premiere am 26. September werden die Berliner dann sehen, ob sich der Kunzesche Aufwand gelohnt hat. Bis dahin wird auch noch an der Inszenierung gefeilt, die James Powell leitet. Auch wenn der Regisseur schon die Londoner Originalproduktion leitete, so wird das Stück im Theater des Westens doch keine Kopie sein. „Es ist die Berliner Inszenierung von Les Misérables“, sagt Theater-Chef Thomas Lüdicke. Auch im Musical „Cats“ waren einige Szenen für die Stadt verändert worden; im Bühnenbild fanden sich sogar Ost-Produkte wie eine Trainingsjacke und eine Zigarettenschachtel.

Könnte es also am Ende sein, dass einige der „Elenden“ von der TdW-Bühne herunter berlinern? „Wir haben viele Ideen, das ist eine davon. Spruchreif ist aber nichts“, sagt Hausherr Thomas Lüdicke. Immerhin: Die Berlin-Quote ist bei dem Stück auch so recht hoch. Unter anderem sind drei Ensemblemitglieder gleich von der Universität der Künste weg engagiert worden. Andere Schauspieler wie Oleh Vynnyk wirkten schon im Theater am Potsdamer Platz beim „Glöckner“ mit. Der gebürtige Ukrainer spielt die Rolle des ehemaligen Sträflings Jean Valjean. Sein Widersacher, Polizeichef Javert, wird von einem der bekanntesten deutschen Musical-Heroen dargestellt: Uwe Kröger. Der gebürtige Westfale ist quasi auch Berliner. Nicht nur, dass er eine Wohnung hier hat, nein, er ist Absolvent der Uni der Künste.

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