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Berlin: Die Gäste sind nicht hungrig genug

Das Tempodrom steht vor der Pleite – weil das Catering schlecht läuft und Konzertbesucher am Getränk sparen. Der Rechnungshof bemängelt fehlende Finanzplanung

Es ist der meistgebuchte Veranstaltungsort in Berlin – und steht doch vor der Pleite: das Neue Tempodrom am Anhalter Bahnhof. Der aktuelle Bericht des Rechnungshofes weist allein für die ersten zehn Monate nach der Eröffnung der Spielstätte im Dezember 2001 rund 877 000 Euro Mindereinnahmen aus. Der Rechnungshof empfiehlt nun ein Insolvenzverfahren fürs Tempodrom. Dann würde ein Investor gesucht, der es unter Wert kauft. Denn der Senat kann sich, wie berichtet, weitere hohe Subventionen über Jahre nicht vorstellen. Unterdessen zeigt ein Blick in den Bericht, dass die größten Verluste der Gastronomie und dem Catering zugeschrieben werden: 500 000 Euro.

Demnach kommen also nicht etwa zu wenig Gäste in die Konzerte oder ins Wellness-Bad „Liquidrom“. Vielmehr setzen Restaurants und Catering-Firma nicht so viel um wie erwartet. „Die Kalkulation wurde vor dem 11. September und der Euro-Einführung gemacht, als die Branche noch boomte“, sagt Bernhard Braig, einer der Geschäftsführer der „Einhorn GmbH“. Die in Berlin seit Jahren etablierte Firma betreibt unter anderem das „Möckernstübl“ und das Terrassen-Restaurant im Tempodrom. Bernhard Braig zufolge hat der Event-Bereich des Tempodroms noch nicht einmal die Hälfte der Veranstaltungen ausgerichtet, die die Finanzexperten erwarteten. „Firmen und PR-Agenturen haben ihre Etats für Events drastisch heruntergefahren“, sagt Braig zu den Ursachen der Verluste. Seiner Aussage nach konnte das Freiluft-Restaurant wegen der anhaltenden Bauarbeiten nicht so erfolgreich arbeiten wie erwünscht. Und im „Möckernstübl“ will die Kundschaft kurz vor oder nach dem Konzert „in 15 Minuten essen, trinken und zahlen“ – auch da halten sich Umsätze grundsätzlich in Grenzen. Zudem komme wenig Laufkundschaft.

„Einhorn“ sei aber nicht der einzige Caterer, auf den die geringeren Erträge zurückfallen, betont Braig: So habe das Tempodrom weniger Verträge mit Geschäftspartnern wie dem Hotel Adlon oder dem Intercontinental abgeschlossen, die ihr eigenes Catering mitbringen. Weitere rund 200 000 Euro Verluste entfallen dem Bericht zufolge auf die „bauliche Unterhaltung“: Da musste nach der Eröffnung nachbessert werden.

Unterdessen zeigt sich auch der Finanzexperte der Grünen, Oliver Schruoffeneger, entsetzt über eine weitere Passage im Bericht: So habe sich der Stiftungsrat des Tempodroms mit Vertretern der Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Finanzen und Kultur sowie von der Investitionsbank Berlin zunächst geweigert, dem Rechnungshof überhaupt Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dessen Prüfer kritisieren nun zudem, dass das Tempodrom weder einen Wirtschaftsplan für das Jahr 2002 noch eine mittelfristige Finanzplanung vorlegen konnte.

Der Senat hat dem Tempodrom seit 2001 rund 4,8 Millionen Euro Finanzspritzen zukommen lassen. Der letzte Betrag in Höhe von 1,5 Millionen Euro reicht nach Aussage von Schruoffeneger noch etwa bis Sommer.

Annette Kögel

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