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Berlin: Die glückliche Familie

Vater, Mutter, Kind – aber ganz unterschiedliche Arten des Zusammenlebens. Fünf Lebensmodelle aus Berlin

Die Drillinge

Anton, 44 und Nalda Kostajnsek, 35 mit den Drillingen Luna, Letizia und Anton Santiago, je zweieinhalb

Als ich erfahren habe, dass meine Frau Drillinge bekommt, musste ich das erst mal sacken lassen. Wir sind jetzt aber total glücklich, dass Luna, Letizia und Anton Santiago kerngesund sind – das ist bei Drillingen nämlich nicht immer so. Wenn man ein Kind bekommt, dann hat man einmal Glück, bei Drillingen hat man dreifaches Glück. Auch wenn die ersten sechs Monate im Nachhinein die Hölle waren. Wir hatten eine Haushaltshilfe, damit meine Frau wenigstens vormittags mal eine Stunde für sich hatte. Vom Staat gab es keine Hilfe. Eine Familie, in der die Eltern normale Angestellte sind, ist ruiniert, wenn sie Drillinge bekommt. Die Kosten sind einfach wahnsinnig hoch. Ich bin zum Glück selbstständig, deswegen können wir die Kosten tragen. Aber das Gehalt meiner Frau geht komplett für die Kindergartengebühren der Kleinen drauf. Im ersten Jahr haben wir 3900 Windeln gebraucht. Und Drillinge können auch keine Kleidung nachtragen. Da muss man eben drei Regenjacken und drei Paar Stiefel kaufen. Was uns viel mehr stört: Mit Drillingen kann man nicht in Ruhe durch Berlin laufen. Ständig sprechen uns Leute an: „Sind die alle aus einem Wurf?“ „War das eine künstliche Befruchtung?“ Und dann müssen wir uns noch Kommentare gefallen lassen wie „Drei Arbeitslose mehr!“ oder „Na, schön Kindergeld einsacken?“ Wir können das nicht mehr hören. Klar: Wenn man Drillinge hat, hat man in seinem Leben keine ruhige Minute mehr, aber ich möchte auch keine Minute mit ihnen missen.“

Die Patchworkfamilie

Roland Koch, 40, Regina Koscielny-Koch, 47 und Sophia, 11

„Meine Frau und ich haben uns getrennt, als Sophia vier Jahre alt war. Das hat unsere Welt so ziemlich durcheinandergewirbelt. Aber wenn eine Trennung auch nichts Schönes ist, so hat sie dennoch nicht nur negative Folgen. Sophia lebt seither abwechselnd bei uns beiden. Dienstags, donnerstags und einen Teil des Wochenendes wohnt sie bei mir, den Rest der Woche bei Regina. Die Ferien teilen wir zur Hälfte auf. Sophia hat in beiden Wohnungen ein eigenes Zimmer, was sie toll findet. Aber der ständige Wechsel erfordert natürlich Organisation: Wir müssen ständig Termine absprechen und im Voraus überlegen, was sie zum Beispiel wann in die Schule mitnehmen muss. Dazu kommen die persönlichen Termine auch mit unseren neuen Partnern, so dass wir manchmal wie ein kleines Logistik-Unternehmen unsere Zeit planen. Zum großen Glück war uns Eltern immer wichtig, dass wir uns auch nach der Trennung noch gut verstehen. Denn wenn man Kinder hat, kommen auch nach einer Trennung noch viele gemeinsame Entscheidungen auf einen zu. Positiv für Sophia ist, dass sie jetzt eine viel größere Familie hat. Allein die vielen Geschenke... Früher hat sie oft gefragt, warum wir nicht wieder zusammenleben können, und auch jetzt, glaube ich, spürt sie den Wunsch noch ab und zu. Aber sie akzeptiert die Situation und geht ziemlich gut damit um.“

Die Alleinerziehende

Juliane Hempel, 23 und Tjorven, 6 Monate

„Als meine Mitbewohner erfuhren, dass ich schwanger bin, haben sie sich total gefreut. Ich wusste gleich, dass sie mich unterstützen würden. Mit Tjorven in einer Sechser-WG zu wohnen, hat für mich Vorteile. Bei uns ist eigentlich immer jemand da, der auf sie aufpassen kann, wenn ich mal kurz aus dem Haus gehe. Trotzdem bin ich als alleinerziehende Mutter natürlich die Einzige, die die komplette Verantwortung für sie trägt. Aber mir gefällt, dass ich alleine entscheiden kann, was für meine Tochter das Richtige ist. Im Moment nehme ich Tjorven überall mit hin – auch zu den Theaterproben. Zum Wintersemester gehe ich wieder zur Uni, dann wird Tjorven in die Kinderkrippe gehen. Einen Krippenplatz in Prenzlauer Berg zu bekommen, war aber wahnsinnig schwierig. Trotzdem glaube ich, dass es einfacher ist, Studium und Kind zu vereinbaren als Beruf und Kind. Ich kann mir die Zeit ja frei einteilen.“

Die binationale Familie

Andrea Dernbach, 47, Guido Ambrosino, 54 und Anton, 13

„Mein Mann und ich haben uns in Bonn kennengelernt. Ich war Korrespondentin für eine deutsche, er für eine italienische Zeitung. Mit der Zeit lebt man in zwei Kulturen. Ich habe außerdem viel mehr Verständnis für die Lage von Ausländern in Deutschland bekommen. Mein Mann sagt immer, wer hier nicht akzentfrei Deutsch spricht, wird für einen Deppen gehalten. Das stimmt. In unserer Familie gibt es deutsche und italienische Elemente. Italienisch ist der Tagesablauf: Wir essen zum Beispiel abends spät und haben einen eher lockeren Umgang mit Zeit. Mein Mann ist sehr deutsch geworden und regt sich in Italien über die unmöglichen Behörden auf – wie ein deutscher Tourist. Unser Sohn Anton spricht mit meinem Mann italienisch und mit mir deutsch. Er geht auf eine Europaschule in Neukölln, an der in beiden Sprachen unterrichtet wird. Komischerweise definiert er sich selbst als Italiener. Aber in erster Linie ist er vielleicht einfach Berliner.“

Die Unverheirateten

Thomas Holstein, 43, Manuela Krahn, 43, Mareike, 10 und Marisa, 5

„Für uns hat einfach nichts dafür gesprochen, zu heiraten. Auch ohne Trauschein haben wir ein ganz normales Familienleben. Wir sind Mann und Frau und fühlen uns auch so, wir streiten uns und vertragen uns wieder. Als meine ältere Tochter Mareike geboren wurde, konnten wir allerdings kein gemeinsames Sorgerecht bekommen, ohne verheiratet zu sein. Das hieß, dass ich als Vater jahrelang auf dem Papier nicht das Recht hatte, meine Tochter zu erziehen. Bei Marisas Geburt waren die Gesetze zum Glück geändert. Mittlerweile kann man sich auch aussuchen, ob die Kinder den Nachnamen der Mutter oder des Vaters bekommen.Marisa und Mareike haben den Namen ihrer Mutter. Wenn die Kinder mal aus dem Haus sind und wir uns immer noch gut verstehen, dann könnte ich mir schon noch vorstellen, zu heiraten.“

Carolin Jenkner

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