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Rückzugsmanöver. Wer Kraniche wie hier im Oderbruch beobachten will, der sollte möglichst dunkle Kleidung tragen. Zudem empfiehlt es sich, ein Fernglas mitzuführen. Vor allem aber sollte man sich rücksichtsvoll verhalten und die Tiere nicht aufschrecken. Fotos: dpa/Patrick Pleul

© ZB

Berlin: Die große Flatter

Jetzt ist die richtige Zeit fürs Vogelbeobachten. Das ist am Wochenende nicht nur in freier Wildbahn ein Erlebnis, sondern auch im Botanischen Garten

Drinnen oder draußen? Exotik oder Heimat? Volieren oder Aussichtsturm? Für Tierfans steht ein Wochenende der Entscheidung bevor: Während auf einer Sonderschau im wohltemperierten Glashaus des Botanischen Gartens in Dahlem vor allem Exoten um die Wette zwitschern, dürfte es bei schönstem Herbstwetter in freier Natur nicht weniger lebhaft zugehen. Unzählige Kraniche, Enten, Gänse und andere Zugvögel liefern rund um die Großstadt beim Wechsel zwischen Fress- und Schlafplatz ein beeindruckendes Naturschauspiel. Da dieses in der Dämmerung stattfindet, lassen sich beide Naturerlebnisse sogar kombinieren. Tagsüber hinein ins Glashaus gehen und danach mit Fernglas und dunkler Jacke raus in die freie Wildbahn.

Drinnen zeigen der Club Ornis Berlin und die Vereinigung für Artenschutz, Vogelhaltung und Vogelzucht bei ihrer Ausstellung im Botanischen Garten immerhin 500 Vögel aus 80 Arten. „Es sind die schönsten Exemplare aus privaten Sammlungen und von Züchtern“, versprechen die Organisatoren. „Vom großen Rosa Kakadu bis zum kleinen Zebrafinken wird viel geboten.“ Es gibt sogar Hilfestellung für Besucher, die sich nicht ganz so gut mit der Züchterei auskennen. Außerdem sind sogar Preisgewinner zu sehen. Eine Fachjury kürt am heutigen Freitag die besten Zuchterfolge.

Wem Papageien aus Afrika oder Nachtigallen aus China zu exotisch sind, der kann sich auch über heimische Vögel informieren. Ein extra angelegter Teich für Enten leitet in der Ausstellung auf den Bereich über, der Waldvögeln wie Stieglitz, Dompfaff, Bartmeise, Zeisig und Fichtenkreuzschnabel gewidmet ist. Spätestens hier könnte der Entschluss zu einer Vogelpirsch im Berliner Umland reifen. Praktisch in allen Himmelsrichtungen gibt es noch bis zu den ersten starken Frösten im November große Ansammlungen von Kranichen und Enten.

Aber auch in den Wäldern selbst herrscht keineswegs die absolute Stille. „Wir hören jetzt noch verschiedene Spechtarten, den Steinkauz, die Waldohreule und natürlich die Brunftrufe des Damwildes“, erzählte der vor allem durch seine ZDF-Beiträge bekannt gewordene Tierfilmer Andreas Kieling. Dabei verriet er ein gerade für Laien nützliches Erfolgsgeheimnis: „Nehmen Sie sich die Zeit, um einfach wieder in den Wald hineinzuhören.“ Man müsse noch nicht einmal viele Kilometer zurücklegen, um den Tiere nahe zu kommen. Allerdings braucht es dazu schon eine gewisse Geduld und Umsicht.

Da machen es die Kraniche den unruhigen Zeitgenossen derzeit viel leichter. Auf sie ist in der Dämmerung fast immer Verlass. Zwischen 17 und 18.30 Uhr fliegen sie beispielsweise im Rhinluch bei Linum nordwestlich Berlins, bei Ribbeck im Havelland, im Luckauer Becken, am Rande des Spreewaldes, in der Elbtalaue zwischen Bad Wilsnack und Lenzen oder beiderseits des Deiches im Nationalpark Unteres Odertal in großen Formationen über die Köpfe der Beobachter hinweg.

Tausende Vögel legen hier auf ihrem Flug von den Brutgebieten in Skandinavien und den Winterquartieren in Frankreich und Spanien eine Zwischenstation ein. Tagsüber stärken sie sich auf den zwar abgeernteten, aber noch immer reichlich Nahrung bietenden Feldern, um abends in den Gewässern Schutz vor Füchsen, Marderhunden und anderen Feinden zu suchen.

„Die Vögel organisieren sogar einen regelrechten Wachdienst, der am Rande der Schlafplätze bei Gefahren sofort Alarm schlägt“, sagt Hans-Jörg Wilke vom Nationalpark Unteres Odertal. Inzwischen würden immer mehr Kraniche den ganzen Winter über in Brandenburg bleiben. „Das sind dann aber solche Vögel, die ganz im Norden Europas gebrütet haben und die den märkischen Frost als nicht ganz so heftig empfinden.“ Die hiesigen Sommergäste dagegen würden bei den ersten Minustemperaturen die Flucht ergreifen und sich mit den typischen Trompetenstößen dem Flug ihrer Artgenossen gen Süden anschließen.

 Claus-Dieter Steyer

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