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Berlin: „Die Grünen sind voll auf dem FDP-Trip“

Berlins SPD-Chef Michael Müller über künftige Koalitionspartner, den geplanten Werte-Unterricht und den Spitzenkandidaten Klaus Wowereit

Die Koalition dümpelt so vor sich hin. Bewegt sich noch was bis zur Wahl 2006?

Welches Dümpeln? Die SPD hat ihre Aktivitäten durchgeplant bis zur Wahl 2006. So wird es 2005 drei Parteitage geben, auf denen wir wichtige Beschlüsse zur Bildungs, Integrations- und Wirtschaftspolitik fassen. Mit diesem Paket wollen wir dann in den Wahlkampf ziehen.

Mit Klaus Wowereit als Spitzenkandidat.

Natürlich. Anfang 2006 werden wir Wowereit auf einem Landesparteitag nominieren und das Wahlprogramm beschließen. Dann werden auch die SPD-Bundestagskandidaten bestimmt und der Landesvorstand neu gewählt.

Eigentlich sollte sich ja der SPD-Landesparteitag am 4. Dezember mit der Bildungspolitik befassen. Stattdessen sprechen Sie über die Hartz-Reformen. Das Thema Bildung wurde verschoben…

…auf das nächste Frühjahr. Es wird das gesamte Spektrum der Bildungspolitik diskutiert. Mit Sicherheit werden wir auch über Studiengebühren und Werteunterricht diskutieren und Entscheidungen dazu treffen.

Bildungssenator Böger hat einen Gesetzentwurf zum Werteunterricht erarbeitet. Kennen Sie den?

Ich kenne zwar die Konzepte Bögers, aber darüber muss noch geredet werden. Zum Beispiel auch über die Finanzierung des Werteunterrichts. Aber es gibt in der SPD eine hohe Bereitschaft, etwas zu verändern. Das war nicht immer so. Entscheidend für uns ist, dass alle Kinder verbindlich über Werte und Religionen unterrichtet werden – das bezieht sich auch auf den Islam.

Wann kommt der Werteunterricht an die Berliner Schulen?

Wenn wir auf dem Bildungs-Parteitag im April 2005 einen Beschluss fassen und die Finanzierung geklärt ist, kann alles sehr schnell gehen.

Und wann kommen die Studiengebühren?

Ich sehe dafür zurzeit keine Mehrheit in der Berliner SPD. Aber ich sehe eine breite Mehrheit für ein Studienkontenmodell. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Zuständigkeit der Bundesländer für diese Fragen wird es in der SPD, und in der PDS, eine neue Diskussionsrunde dazu geben.

Im Gegenzug gibt es bald ein kostenfreies Kita-Jahr?

Das wäre wünschenswert, aber wir wissen nicht, wie wir das bezahlen können.

Werden solche Themen im Wahlkampf 2006 wirklich eine Rolle spielen? Es wird doch sicher ein Wahlkampf sein, der ganz auf Klaus Wowereit zugeschnitten ist?

Selbstverständlich bauen wir auf Klaus Wowereit. Er ist der bekannteste und beliebteste Politiker Berlins…

…trotz seiner gelegentlichen Eskapaden…

…ihm hat die CDU niemanden entgegenzusetzen. Der Wahlkampf wird außerdem von der Auseinandersetzung Schröder kontra Merkel bestimmt sein, da das Abgeordnetenhaus wahrscheinlich gemeinsam mit dem Bundestag gewählt wird. Thematisch werden wir uns auf die Bildungs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik konzentrieren. Auch die „soziale Stadt“, also das Quartiersmanagement und die Integrationspolitik, wird eine große Rolle spielen.

Rechnen Sie damit, dass der CDU-Landeschef Joachim Zeller Spitzenkandidat der Union wird, oder bereitet sich die SPD auf einen auswärtigen Kandidaten vor?

Ich rechne mit Zeller. Er selbst bereitet seine Kandidatur schon systematisch vor, das sollte man nicht unterschätzen. Die bekanntesten CDU-Bundespolitiker suchen sich doch lieber andere Aufgaben und warten nicht auf den Ruf ausgerechnet des Berliner CDU-Landesverbands.

Wollen Sie nach der Wahl 2006 lieber mit der PDS weiterregieren oder die Grünen mit ins Boot nehmen?

Sollte die SPD nach der Wahl zwei Optionen haben – entweder mit der PDS oder mit den Grünen zu regieren –, bin ich mir nicht sicher, dass es automatisch auf Rot-Grün hinausläuft. Ich frage mich oft: Wofür stehen die Berliner Grünen noch? In der Privatisierungspolitik zum Beispiel sind sie voll auf dem FDP-Trip. Sie wollen alles verkaufen; zum Beispiel Vivantes, die BVG und die Wohnungsbaugesellschaften.

SPD und PDS müssten erst einmal genügend Stimmen bekommen, um ein neues Bündnis schmieden zu können.

Was die SPD anbelangt, ist der Aufwärtstrend in den Umfragen abzulesen.

Ein Zuckerschlecken wäre eine neue rot-rote Koalition sicher nicht. Die PDS schlägt jetzt schon gerne quer. Ihr Vorsitzender Stephan Liebich geht auf Montagsdemonstrationen – und mit Thomas Flierl ist es für Sie ja auch nicht immer einfach.

In jeder Koalition gibt es auch mal Konflikte. Wir bleiben konkurrierende Parteien und mit den Grünen wäre es auch nicht einfacher. Was den Kultursenator Thomas Flierl angeht: Er meint hin und wieder, die Interessen des Ostens vertreten zu müssen. Aber da ist er nicht der Einzige, wir tun das nämlich auch.Das Gespräch führte Ulrich Zawatka- Gerlach.

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