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Berlin: Die Jecken narren den Senat

Trotz Verbots soll es beim Karnevalsumzug doch durchs Brandenburger Tor gehen – zu Fuß. Punkt 13.11 Uhr startet die Parade durch Mitte

Mit der Moral unter den Karnevalisten ist das so eine Sache. „Wir haben die Leute gebeten, nicht von den Wagen zu springen. Aber das wird sich wohl niemand nehmen lassen, durchs Brandenburger Tor zu gehen.“ Martin Hortig, im Arbeitsalltag Rechtsanwalt und während der Faschingszeit Zugmarschall beim „Karnevalszug Berlin e.V.“, kennt seine Pappenheimer. Rund 2000 Jecken ziehen heute von der Straße des 17. Juni zum Festzelt am Roten Rathaus – und fast alle auch durch das Wahrzeichen Berlins.

Ganz vorne mit dabei das Prinzenpaar, Jutta I. und Hans III. Und weil man auch die Striedersche Durchfahrtssperre für die 60 Wagen sogleich karnevalistisch aufspießen will, werden die Hoheiten demonstrativ auf einem Handwagen durch die Säulen gezogen. Das soll aber schon reichen als Protest, denn der nunmehr dritte Karneval in Berlin ist doch als friedlich-fröhlich-feuchte Veranstaltung gedacht.

Eine halbe Million Schaulustige mit Pappnase und Plastiktüte werden von den Veranstaltern erwartet – bei der Premiere waren es noch 150 000, vergangenes Jahr zählte die Polizei 350 000 Besucher. Rund die Hälfte davon sind Berliner, die übrigen Gäste reisen aus dem Um-, dem Rhein- und dem Ausland an. Zur Freude der hiesigen Hotellerie, und auch die Berlin Tourismus Marketing wirbt längst für das närrische Treiben. Ein „Hallo“ und „Helau“ und „Alaaf“ gibt es zudem bei den städtischen Lkw-Verleihfirmen, denn nur die Brandenburger und Sachsen-Anhaltiner rollen mit eigenen Schwertransportern an. „Darin unterscheidet sich ja der Karneval in Berlin von dem im Rheinland: Dort sieht man auch wegen der engen Straßen meist Traktoren mit Anhängern im Zug“, sagt der Marschall. In der Hauptstadt muss es aber eine Nummer größer sein, „sonst sieht das aus wie gewollt und nicht gekonnt“, sagt der 45-jährige Friedrichshainer. Dieses Jahr gibt es sogar EU-weite Unterstützung: ein Musikzug aus Frankreich marschiert mit. Aus dem Rheinland wiederum sei der Andrang schon so groß, dass man fürs nächste Jahr schon an Sonderzüge denkt.

Überhaupt toleriere der Berliner inzwischen das närrische Treiben. „Im ersten Jahr haben die Leute ihr Kostüm in der U-Bahn noch unter dem Mantel versteckt“, erinnert sich Profi-Karnevalist Hortig, übrigens gebürtiger Hannoveraner. Heute rufen zunehmend Berliner beim Verein an, weil sie als Streckenposten mithelfen möchten. Zudem ist der Zug wohl die einzige Großveranstaltung, bei der sich Polizisten freiwillig zum Dienst melden. Wenn schon mal nicht Pflastersteine, sondern Kamelle fliegen.

Da der Umzug nicht als Demonstration angemeldet ist, tragen Veranstalter und Sponsoren die Kosten für Straßenreinigung et cetera selbst, das sind 100 000 Euro. Damit die Wagen nun richtig ins Rollen kommen, bittet der Veranstalter auch im Namen der 24 Berliner Karnevalsvereine die Besucher, sich nicht am Platz des 18. März in den Weg zu stellen. Anwalt Hortig läuft indes ganz vorne mit und trägt aus alter Feiertradition eine Pickelhaube. Für die Wagenfahrer gilt übrigens striktes Alkoholverbot. Und auch die angebotenen Kondome werden nicht unters familienfreundliche Volk gestreut. Klappt also doch, das mit der Moral.

Die Straße des 17. Juni ist ab 9 Uhr gesperrt, Unter den Linden bis in den Abend. Der Sender B1 überträgt live von 14 bis 15 Uhr, um 20.15 Uhr gibt es eine Sondersendung.

Annette Kögel

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