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Berlin: „Die neue Charité ist an drei Standorten nicht finanzierbar“

Klinik-Verwaltungschef Bernhard Motzkus über die Schwierigkeiten von Fusionen, uninteressierte Senatoren und seine Feinde

Herr Motzkus, Sie haben zum 31. Dezember um Auflösung ihres Vertrages als Verwaltungsdirektor der Charité gebeten. Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Ich gehe erhobenen Hauptes. Zwei Fusionen habe ich erfolgreich gemanagt: 1990 die vom damaligen Charlottenburger mit dem VirchowKlinikum und die Fusion von Virchow und Charité 1995. Ich habe in der Charité 1,4 Milliarden Euro eingespart, das Personal um tausende Stellen reduziert – ohne betriebsbedingte Kündigungen. Ich übergebe ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen.

Nun läuft die dritte Zusammenführung: die Charité soll mit dem Benjamin-Franklin-Klinikum in Steglitz verschmelzen. In Ihrer Abschlussbilanz am 1. Juni 2003 stehen 29 Millionen Euro Verlust. Ist das die Bilanz eines gesunden Unternehmens?

Ja. Der Aufsichtsrat hat uns bis zur Fusion am 1. Juni 2003 für die Wirtschaftsführung voll entlastet. Wir besitzen Immobilienwerte von mehr als einer Milliarde Euro und verfügen über ein Guthaben von 91 Millionen Euro auf den Bankkonten. Unser Fusionspartner in Steglitz müsste zirka 500 Millionen Euro zur Verfügung haben, um auf das gleiche Vermögensniveau zu kommen. Diese Fusion ist ein Zusammenschluss von sehr ungleichen Partnern.

Kann diese Verschmelzung funktionieren?

Ich habe da meine Zweifel. Es sind zu viele Fehler gemacht worden. Das beginnt schon damit, dass man für die fusionierte Charité eine Übergangsleitung installierte, bis ein neuer endgültiger Vorstand gefunden wird. Wobei die jetzige Vorstandsvorsitzende eine gute Arbeit gemacht hat. In dem vergangenen halben Jahr konnten keine wesentlichen Struktur-Entscheidungen getroffen werden. Eine Fusion kann nur dann erfolgreich sein, wenn man sofort die endgültige Leitung einsetzt, die entscheidet. Dass mit Detlev Ganten nun endlich ein neuer Vorstandsvorsitzender gefunden ist, ist gut. Nun muss der personelle Neuanfang folgen, das heißt, die vorhandenen Vorstände müssen ausgetauscht werden. Gerade die fusionsunwilligen und -unfähigen Manager müssen weg.

Durch die Fusion entsteht eine neue Charité mit drei Standorten: in Mitte, Wedding und in Steglitz. Sind die alle wirklich nötig?

Nein. Die Zielsetzung der rot-roten Koalition, dass zwei Standorte für die Universitätsmedizin ausreichend sind, war völlig richtig. Dass danach das Expertengutachten 2002 empfahl, die Hochschulmedizin an drei abgespeckten Standorten zu erhalten, war ein riesengroßer Fehler. Der Expertenkommission fehlte der betriebswirtschaftliche Sachverstand. Drei amputierte Standorte mit unvollständigem Fächerangebot, das ist nicht funktionsfähig und auch nicht finanzierbar.

Welche Standorte sind verzichtbar?

Das muss die Politik spätestens im kommenden Jahr entscheiden. Der Standort Virchow ist gesetzt. Hier wurden 1,5 Milliarden Euro investiert, es ist eines der modernsten Krankenhäuser Europas. Die Standortfrage wird ja gerade von dem Unternehmensberater Roland Berger begutachtet. Daraus erwartet man klare Empfehlungen. Aber wenn die Politik sich um diesen Schnitt herumdrückt, dann werden die drei Standorte ab 2007 nicht mehr finanzierbar sein. Dann wäre die gesamte Charité gefährdet.

Sie haben als Gesundheitspolitiker in Berlin eine Menge Spuren hinterlassen – und Feinde.

Den fachlichen Streit habe ich nie als persönliche Feindschaft empfunden. Die Auseinandersetzungen waren interessante sportliche Herausforderungen. Und da ich oftmals als Sieger daraus hervorging, war ich natürlich nicht jedermanns Liebling. Es gibt in Berlin zu wenige Macher und zu viele Schwätzer.

Einer der heftigsten Auseinandersetzungen mussten Sie sich im vergangenen Jahr stellen. Es ging dabei um Ihre Nebentätigkeiten in einer Firma, die die Charité belieferte.

Diese Vorwürfe sind alle ausgeräumt. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Damals war ich vom Verhalten des zuständigen Wissenschaftssenators Thomas Flierl (PDS) sehr enttäuscht. Eigentlich gibt es doch eine Fürsorgepflicht eines Vorgesetzten für seine Mitarbeiter. Doch der Senator hat mich im Regen stehen lassen. Vielleicht liegt es daran, dass Flierl Kulturpolitiker ist und Hochschulmedizin nie seine Sache war.

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