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Berlin: Die Panik vor dem Einkauf

Warum sich Männer vor dem Laden hüten und der Handel trotzdem auf Weihnachten hofft

Diesmal sieht es fast aus, als wären die Weihnachtseinkäufe Männersache. Männer kaufen bekannterweise nicht so gern. Und so ist die Kurve von den Umsätzen der Einzelhändler am zweiten Advent noch denkbar flach. „Noch können wir nicht jauchzen und frohlocken“, sagt Nils Busch-Petersen vom Berliner Einzelhandelsverband. Die Leute gucken, aber sie kaufen nicht.

Als fiele Weihnachten aus, wenn man keine Geschenke hat! Die Händler hoffen jetzt aufs nächste Wochenende, oder spätestens auf den Morgen vorm Fest. Aber warum kaufen die meisten Leute ihre Geschenke, allen guten Vorsätzen zum Trotz, auf den letzten Drücker? Und warum gelingt es einfach nicht, den Männern die Scheu vorm Einkaufen zu nehmen? Die Händler sind ratlos.

Dabei ist es ganz einfach bei den Männern: Sie kaufen ungern, und wenn, dann sind sie so genannte Zielkäufer. Entweder wissen sie, was sie haben wollen, rennen ins Geschäft, kaufen die Ware und sind schon wieder weg. Oder sie wissen es nicht und gehen deshalb gar nicht erst shoppen. Beides ist für den Handel ein Graus.

Der Londoner Psychologe David Lewis hat die Verweigerung winterlichen Shoppings untersucht. Er sagt, dass der Weihnachtseinkaufsstress für Männer gesundheitsschädlich ist. Der Druck sei mit dem von Piloten in Kampfjets zu vergleichen. Beim Einkauf stieg bei allen männlichen Testpersonen (aber nur bei jeder vierten Frau) der Blutdruck kräftig, das Herz klopfte.

Erstaunlich auch, dass bei 70 Prozent der Männer schon allein der Gedanke an Weihnachtseinkäufe Stress auslöst. Viele Männer meiden deshalb auch an ihren freien Tagen das Einkaufszentrum, verdrängen den Gedanken an nötige Geschenke – was schon wieder Stress macht, der zur Lähmung führt. Der Einkauf wird von Männern als bloße Pflichterfüllung empfunden.

Ganz anders die Frauen, sie begreifen das Einkaufen als Erlebnis, Geschenke als Gefühle zum Anfassen. Einen Mann mitziehen und ihn bei Laune halten zu müssen, das nervt sie aber. Und ist dann auch noch die Haushaltskasse knapp, lassen sie sich ihrem Partner gegenüber zum Satz hinreißen: „Wir sollten uns in diesem Jahr nichts schenken“. Das ist den Männern meist sehr recht, aber jeder weiß, dass dieser Vorsatz gebrochen wird, spätestens mit einem Panikkauf am 23. oder 24. Dezember. Der Handel weist auf erfolglose„Frühwarnsysteme“: Spekulatius im September, Dominosteine im Oktober.

Nils Busch-Petersen sagt, man sollte in der Verkaufspsychologie mehr auf ältere Menschen eingehen, der Durchschnittserbe sei 59 Jahre alt und lege meist das Geld an, statt es auszugeben. Man müsse über die Farbgestaltung der Geschäfte nachdenken, hier und da könnte auch ein Stuhl zum Ausruhen nicht schaden. Das Kundenverhalten speziell im Weihnachtsgeschäft hält er für ein erforschenswertes Feld. Zur Hand hatte er gestern nur ein Verkaufspsychologie-Werk von 1926 aus den USA. Es gab Verkaufstipps, die doch jetzt aktuell sein müssten: „Wie man zwei Kunden gleichzeitig bedient.“

Christian van Lessen

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