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Schön gemütlich. Aber fit für die Zukunft? Der Bäderchef im Bad am Heidelberger Platz.

© Thilo Rückeis

Die Pläne des Bäderchefs in Berlin: Wo ist die perfekte Welle?

Ole Bested Hensing will die Bäderbetriebe 2014 neu aufstellen. Er denkt sogar an einen „Schwimmkanal im Löwengehege“. Im März will er seine Pläne ausarbeiten.

Sind die Berliner einfach hoffnungslose Landratten? Sie steigen im Schnitt 1,7 mal im Jahr in ein Schwimmbecken, während das die Deutschen insgesamt 2,8 mal im Jahr tun und die Bremer sogar vier Mal. Woran liegt das? Ole Bested Hensing hat eine ebenso klare wie einfache Antwort: Die 63 Berliner Hallen- und Sommerbäder sind nicht attraktiv genug. Bested Hensing ist seit Mai 2013 Chef der Berliner Bäderbetriebe und hat Großes vor im neuen Jahr. An diesem Tag im Dezember sitzt er auf einer gefliesten Bank in einem Berliner „Standardbad“: Es wurde 1963 eröffnet und versprüht den Charme der 80er, hat ein 25 Meter-Becken, ein Nichtschwimmerbecken und eine orange-gelb geflieste Sauna im Keller. Durch die große Glasfront sieht man Autos am Heidelberger Platz entlangbrausen, vor der Haustür gibt es eine U- und eine S-Bahn-Haltestelle. An der Lage liegt es nicht, dass der Altersdurchschnitt der Gäste in den vergangenen 30 Jahren einen Sprung von 30 auf gefühlte 60 Jahre gemacht hat. Aber es gibt keine Rutsche, die beiden Sprungtürme werden nur selten freigegeben, weil sonst die Springer den Schwimmern auf den Kopf springen würden. Das Hallenbad am Heidelberger Platz ist ein altes Volksbad, in dem viele unterschiedliche Bedürfnisse in einem einzigen Becken befriedigt werden müssen. Für Jugendliche ist das nichts, Familien gehen woanders hin.

„Das Bad hat eine gewisse gemütliche Atmosphäre“, sagt Hensing. Doch die zehn Liegestühle sind leer. Der Bäderchef will auch gar nichts beschönigen. Er tippt mit seiner Fußspitze auf die beige-grauen Bodenfliesen vor sich. Graue Schlieren sind zu sehen. „Das ist kein Schmutz, das sind kaputte Fliesen“, sagt Hensing. Sie sind gebrochen, Feuchtigkeit ist eingezogen, sie haben sich verfärbt. Selbst Salzsäure habe nicht geholfen.

2007/08 war das Bad über viele Monate geschlossen, als es wieder aufmachte, sah es aus wie vorher. Aus dem Dach hatten sie Asbest geholt, eine neue Lüftungsanlage eingebaut, das war für den Gast aber nicht zu erkennen. Trotzdem waren ein paar Millionen verbuddelt. Bested Hensing bedauert, dass damals nicht mehr gemacht wurde. Als er noch Chef der Badelandschaft Tropical Island im Brandenburgischen Brand war, dachte er manchmal, die Berliner lassen ihre alte Bäder mit Absicht vor die Hunde gehen, damit sie irgendwann so marode sind, dass man einen für alle sichtbaren Grund hat, um sie zu schließen - und neue zu bauen. Heute weiß er, dass aus Geldnot so wenig investiert wurde.

Bested Hensing rechnet vor: Die 63 Bäder verursachen jährlich Kosten von 65 Millionen Euro und erzielen 15 Millionen Euro Einnahmen. 50 Millionen Euro schießt das Land Berlin zu. Da die Löhne und die Energiekosten steigen, brauche man jedes Jahr 2,5 Millionen Euro mehr. Gleichzeitig ist die Anzahl der Besucher von 10,8 Millionen im Jahr 2000 auf 6,2 Millionen 2012 gesunken. Die Rücklagen seien aufgebraucht. „Wir haben nichts mehr“, sagt der Bäderchef. Zu dem Nichts kommt ein gewaltiger Sanierungsstau. 2006 belief er sich auf 66 Millionen Euro. Der Senat und ein bisschen die EU gaben 72 Millionen Euro, die Hälfte der Hallenbäder wurden saniert. „Heute beträgt der Sanierungsstau 85 Millionen Euro“, sagt Bested Hensing. „Sanieren bedeutet, Baumängel zu beseitigen.” Wollte man die 63 Bäder modernisieren, bräuchte es 320 Millionen Euro. Als er 2003 in der „Turm-Erlebnis-City“ in Oranienburg antrat, steckte das Bad tief in den roten Zahlen. Bested Hensing gelang es, die Besucherzahlen um 25 Prozent zu steigern und die Verluste zu halbieren. Auch in Tropical Island stiegen die Besucherzahlen, allerdings langsamer.In Berlin plant er einen Systemwandel: Mehr und neue Angebote für die „freizeitorientierte“ Klientel, gleichzeitig leerere Becken für die Schwimmer. Und er will lieber neu bauen als immer mehr Geld in die maroden Hallen zu stecken. An fünf Standorten will er neue Hallen errichten mit unterschiedlichen Becken für unterschiedliche Bedürfnisse. In den Kombibädern sind die Personalkosten niedriger, und im Sommer kann man drinnen und draußen flexibler öffnen und schließen.

14 Bäder sollen vielleicht geschlossen werden in Berlin

Schön gemütlich. Aber fit für die Zukunft? Der Bäderchef im Bad am Heidelberger Platz.
Schön gemütlich. Aber fit für die Zukunft? Der Bäderchef im Bad am Heidelberger Platz.

© Thilo Rückeis

Als im Sommer die Zahl von 14 möglicherweise zu schließenden Bädern öffentlich wurde, war der Aufschrei groß. Bloß kein Bad schließen – da waren sich Politiker aller Parteien einig. Auch Frank Henkel, CDU-Sportsenator und Aufsichtsratschef der Bäderbetriebe, schloss Bäderschließungen aus. Doch Bested Hensing sagt: “Die Bilanz meines ersten Jahres ist sehr positiv.” Er habe sich zwar etwas gewundert, dass sich alle nur auf die Schließungen stürzten, er sei da wohl auch missverstanden worden. Aber mit Widerstand habe er gerechnet. Ausdrücklich hebt er hier und jetzt an diesem Nachmittag hervor: Erst wenn die Neubauten fertig sind, sollen einige alte Hallen dicht gemacht werden. Er will vor allem mehr Berliner in die Bäder locken, die viel Zeit auf der Liege verbringen und nur ab und zu mal ins Wasser steigen. Diese Gruppe sei bislang unterrepräsentiert in den Bädern. Überrepräsentiert seien die Schwimmer, die vor allem aus den oberen Bevölkerungsschichten kämen, sagt er. Und die seien frustriert, weil sich zu viele Menschen in ein- und denselben Becken stauen. In einigen Bädern gibt es neuerdings zusätzliche Schwimmerbahnen – um Frust abzubauen. Die Schwimmer sollen aber auch an den neuen Standorten auf ihre Kosten kommen, versichert Bested Hensing. Er war als Jugendlicher Leistungsschwimmer und kennt die Nöte und Glücksgefühle von Bahnenziehern.

Aus der Politik habe er das Signal bekommen: „Das kriegen wir hin.“ Bis März soll er seine Pläne ausarbeiten. 2014 will er an einem Ort exemplarisch zeigen, was er vorhat. Wo, will er noch nicht verraten. Den neuen Wind, den der blonde Mann in die Bäderbetriebe gebracht hat, werden die Besucher ab 1. Januar an den Kassen spüren. Dann ändern sich die Eintrittspreise (siehe Kasten). Der Standard-Preis ist von 4,50 auf 5,50 Euro gestiegen. Aber die Preise sind mehr als bisher nach Zeiten und Aufenthaltsdauer gestaffelt. Bested Hensing hofft, dass sich die Besucher dadurch mehr verteilen und nicht alle abends kommen. Durch neue Preise und zusätzliche Angebote „an Land“, zum Beispiel Yoga, „Cine Swimming“ (vom Becken aus Filme schauen) oder spezielle Familientage erhofft sich Bested Hensing 2014 vier bis fünf Millionen Euro höhere Einnahmen. Das sei „ambitioniert gerechnet“, sagt er.

Ohne Ambition geht es bei ihm nicht. Das war schon vor 30 Jahre so, als er sich nach dem Abitur auf Long Island als Rettungsschwimmer in einer Freizeitanlage Geld verdiente, um ein Jahr in den USA zu leben. Am Ende leitete er das dortige Hotel.
Die Idee von SPD-Franktionschef Raed Saleh, mitten im Tierpark ein Bad zu bauen, findet er eine „fantastisch“. Er kennt so was aus Orlando. Dort könne man mit Haien schwimmen – nur durch eine Glasscheibe getrennt. Tierpark und Bad hätten ähnliche Funktionen und könnten sich aufs Beste ergänzen. „Wie wär‘s mit einem Schwimmkanal ins Löwengehege?“, schlägt der Bäderchef vor. 34 Millionen Euro würde der Neubau kosten. Aus Sicht des Bäderchefs würde sich das lohnen. Nicht zuletzt deshalb, weil es dann neben dem Strandbad Wannsee noch ein weiteres Bad in die Touristenführer schaffen würde.

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