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Auf der Suche nach Nachwuchs. Kardinal Rainer Maria Woelki will eine katholische Fakultät eröffnen. Nichts fehlt seiner Kirche so dringend wie junge Priester.

© dpa

Die Pläne des Berliner Kardinals: Woelkis Welt

Wie Berlins Kardinal Rainer Maria Woelki das Erzbistum erneuern will – und wie wichtig eine katholische Fakultät für seine Pläne sein könnte.

Die katholische Kirche steht denkbar schlecht da. Menschen kehren ihr scharenweise den Rücken, weil sie ihr nichts mehr zutrauen: weder die Aufklärung der Missbrauchsskandale noch intellektuelle Impulse oder Rat im Alltag, seit dem Kölner Krankenhausskandal nicht mal mehr Hilfe für Notleidende. Doch ausgerechnet aus dem säkularen Berlin funkt die katholische Kirche positive Signale. Das liegt an Kardinal Rainer Maria Woelki. Er ist gerade eineinhalb Jahre im Amt, mischt sich ein und hat Aufbruch in die Kirche gebracht wie lange keiner mehr. Wo sich andere Bischöfe unglaubwürdig machen, weil sie Dogmen und Lehren über die Nöte von Menschen stellen, versucht er die Theologie wieder näher an die Menschen zu rücken. So geschehen vor einem Jahr, als er innerkirchlich mehr Verständnis für Homosexuelle zu wecken versuchte. Vergangenes Wochenende regte er eine gesamtkirchliche Debatte über die „Pille danach“ an. Und während andernorts katholische Hochschulen schließen, weil die Studenten fehlen, will Woelki die erste katholische Fakultät in Berlin eröffnen.

Am Anfang wirkte er auf viele weltfremd und in sich gekehrt. Doch der Kardinal schaut und hört genau hin. Als einer der Ersten kritisierte er das geplante Abschiebegefängnis auf dem neuen Flughafen BER. Es passt, dass er sich jetzt für seine Hochschulpläne die katholische Gemeinschaft der Pallottiner in Vallendar bei Koblenz für eine Zusammenarbeit ausgesucht hat. Denn die Philosophisch-Theologische Hochschule der Pallottiner (PTHV) hat eine deutlich soziale, diakonische Ausrichtung. Sie kooperiert mit der Marienhaus GmbH, einem von Franziskanerinnen geleiteten Verbund von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Nicht im Elfenbeinturm, sondern in Verbindung mit Pflegeberufen und sozialer Verankerung will sie Theologie in der säkularen Gesellschaft vermitteln. Eine so ausgerichtete theologische Fakultät würde sich auch gut mit der bereits bestehenden Katholischen Fachhochschule für Sozialwesen in Berlin ergänzen. In der PTHV prüfe man Woelkis Antrag „wohlwollend“, sagt eine Sprecherin.

Der Berliner Kardinal hat sich schon öfter in Vallendar umgeschaut und wird auch Anfang März erwartet. Dann veranstaltet die Hochschule eine Tagung zum 80. Geburtstag von Kurienkardinal Walter Kasper, zu der Kurienerzbischof Rino Fisichella, der neue Chef der Glaubenskongregation Gerhard Ludwig Müller und weitere wichtige Vertreter der katholischen Kirche anreisen werden.

Angedacht ist, dass die Pallottiner in Berlin einen zweiten „Campus“ aufbauen, speziell für den Magisterstudiengang. Die Lehrkräfte würden zwischen Vallendar und Berlin pendeln. Als möglicher Standort ist das Bernhard-Lichtenberg-Haus hinter der St. Hedwigs-Kathedrale im Gespräch. Unklar ist die Finanzierung. Nach Auskunft von Kardinal Woelki ist das Erzbistum finanziell konsolidiert, man habe aber dennoch keinen übermäßigen Spielraum. Womöglich wird Geld aus Rom für die Hochschule fließen. Woelki betonte bereits vor einem Jahr, dass Papst Benedikt XVI. eine katholische Fakultät in Berlin zumindest ideell unterstützen würde.

In Berlin ist ein eigenständiges katholisches Theologiestudium bisher nicht möglich. An der Freien Universität Berlin bildet das Seminar für katholische Theologie Lehramtsstudenten aus, an der Humboldt-Universität scheiterten in den neunziger Jahren Pläne für einen Lehrstuhl der katholischen Theologie. Auch für die Pallottiner könnte die Aussicht, einen zweiten Campus in Berlin zu eröffnen, attraktiv sein. Seit Jahren geht die Zahl der Studierenden in Vallendar zurück, im Erstsemester sind es jetzt nur noch eine Handvoll. Berlin dürfte sicherlich mehr Studenten anlocken als das kleine, beschauliche Städtchen in Rheinland-Pfalz.

Eine Erneuerung von Theologie und sozialer Verankerung sind aber nicht die einzigen Ideen, mit denen Woelki die Kirche in der säkularen Gesellschaft verankern und das Berliner Erzbistum profilieren möchte. Seit einem Jahr treibt er Pläne zum Umbau der St. Hedwigs-Kathedrale voran und sucht das Gespräch mit Künstlern und Kulturschaffenden. Das Erzbistum und seine 400 000 Katholiken stehen aber auch vor großen strukturellen Umwälzungen. Demografische Prognosen sehen einen Rückgang der katholischen Bevölkerung in manchen Regionen des Bistums um bis zu 30 Prozent voraus. Die jetzt 108 Pfarrgemeinden sollen bis 2020 zu 30 pastoralen Großräumen verschmelzen, mit neuen Verwaltungseinheiten, neuen inhaltlichen Schwerpunkten und neuer Vernetzung von Klerikern und Ehrenamtlichen.

Nur wenn der Aufbruch gelingt, wird der Abbruch nicht so schmerzhaft sein. Auch dafür brauchen die Katholiken eine theologische Fakultät. Denn an kaum etwas mangelt ihnen so sehr wie an qualifiziertem Nachwuchs.

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