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Berlin: Die Retter des Sozialismus

Viele in der Wahlalternative wollen die PDS vom neoliberalen Kurs abbringen

Von Sabine Beikler

Statt der erwarteten Buhrufe erntete Carl Wechselberg freundlichen Applaus. Der Empfang der Mitglieder der Wahlalternative (WASG) vor einer Woche auf ihrem Parteitag überraschte den PDS-Haushälter: „Ich freue mich zu sehen, wie groß der WASG-Flügel ist, der sich nicht gegen die PDS stellt“, sagte Wechselberg. „Für ein linkes Projekt brauchen wir Leute, die das auch positiv bewerten.“ Das war bei der Berliner Wahlalternative nicht immer so: Vor einem Jahr tobte dort noch ein harter Richtungskampf, nachdem ein Teil der damals Aktiven das Volksbegehren zur Abwahl des Senats unterstützt hatte. Heute scheint die 550 Mitglieder starke Partei gezähmt: Diejenigen, die vor einer Zusammenarbeit mit der PDS den Ausstieg aus der rot-roten Koalition fordern, gehören inzwischen zur Minderheit.

Heute ist die WASG zum Sammelbecken für Ex-PDS-Mitglieder, Gewerkschafter und Quereinsteiger geworden, die unzufrieden sind mit Sozialabbau und Hartz IV und „jetzt etwas dagegen tun müssen“, wie Johannes Schmidt vom Bezirksverband Steglitz-Zehlendorf sagt. Auch politische Neulinge sind dabei, wie Dieter Bernhardt aus Tempelhof-Schöneberg, der die „Abzocke der Kranken und Schwachen“ und den neoliberalen Zeitgeist kritisiert.

Frank Puskarev vom Landesvorstand der WASG gehört dagegen zur Gruppe der ehemaligen PDS-Mitglieder. Der 28-jährige gelernte Bürokaufmann war von 2000 bis 2002 im PDS-Kreisverband Tempelhof-Schöneberg Mitglied, „aber nicht aktiv“, wie er betont. Danach arbeitete er bei Attac mit und kam 2004 zum Projekt der Wahlalternative. „Was uns verbindet, ist die Forderung nach gesellschaftlicher Umverteilung von Reichtum“, sagt Puskarev. Eine Reichen-Steuer, wie sie die SPD fordert, findet er dagegen falsch: „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Er kritisiert den „neoliberalen Kurs“ der PDS und fordert, dass die Sozialisten sich vom „Primat der Haushaltskonsolidierung“ verabschieden. „Wenn die PDS in einer Koalition Politik betreibt, nur um Schlimmeres zu verhindern, macht sie sich auch zur Erfüllungsgehilfin neoliberaler Politik“, sagt Puskarev. Die Sozialisten müssten eben ihre Politik ändern. Puskarev geht aber nicht so weit, einen generellen Ausstieg aus der Koalition zu fordern.

Das neue Linksbündnis auf Bundesebene hat auch Schub in die zähen Gespräche zwischen PDS und WASG in Berlin gebracht. Puskarev und andere Mitglieder wie Klaus-Dieter Heiser sehen große Chancen in einem Linksprojekt und wollen „keinen Wahlkampf im Wahlkampf“ führen. „Wir haben wöchentlich Zuwachs von bis zu acht Mitgliedern“, sagt Heiser. Der 58-jährige Schriftsetzer war bis 1990 Mitglied in der SEW, dem West-Berliner Ableger der SED, und gehört der WASG Neukölln an, die zurzeit 90 Mitglieder hat. Heiser glaubt, dass viele Neumitglieder „hohe Erwartungen an eine sozialistische Opposition im Bundestag haben“.

Bevor diese „Erwartungen“ jedoch Realität werden könnten, müssen sich PDS und WASG in Berlin auf gemeinsame Kandidaten für die Landesliste verständigen, die am 7. August aufgestellt werden soll. Streitpunkt ist nach wie vor die Kandidatur auf Platz vier. PDS-Bundes- und Landesvorstand favorisieren Hakki Keskin, den Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Die WASG wirft Keskin Parteinahme für die türkische Regierung vor. Jetzt schlägt die Wahlalternative Renate Herranen als Alternativkandidatin vor. Aus Protest gegen Kürzungen im Sozialbereich war sie vor zwei Jahren aus der PDS ausgetreten. Die Wahlalternative hat die Erzieherin auf Platz eins ihrer Vorschlagsliste gewählt.

Am Donnerstag wollen sich WASG- und PDS-Vertreter zum dritten Mal treffen. Dann wird auch PDS-Landeschef Stefan Liebich dabei sein, der bisher Gespräche aus „Terminschwierigkeiten“ abgesagt hatte. Die Erwartungen formuliert WASG-Landesvorstand Puskarev vorsichtig: „Wir hoffen, dass die PDS unsere Kandidaten unterstützt.“ Fordern kann die WASG das nicht, da sie auf den Listen der PDS kandidiert – und auf deren guten Willen angewiesen ist.

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