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Berlin: Die singenden Wikinger Wie man estnisch-korrekt den Song-Contest feiert

Von Thomas Loy Goeienaand! Bitte ganz weich sprechen.

Von Thomas Loy

Goeienaand! Bitte ganz weich sprechen. Hoe gaan dit? Das G bitte wie CH. Das ist Estnisch und bedeutet: Guten Abend. Wie geht es dir? Ein wenig Estnisch sollte in kleiner Partyrunde vor dem Fernseher schon gepflegt werden. Der Grand Prix Eurovision 2002 kommt heute Abend live aus Tallinn. Wer den Europäischen Sangeswettbewerb ernst nimmt, bereitet sich sorgsam auf den interkulturellen Dialog vor.

Zunächst prägen wir uns die n der Moderatoren ein: Annely Peebo, Mezzosopranistin an der Wiener Staatsoper, und Marko Matvere, Schauspieler aus Tallinn. Die beiden entsprechen optisch durchaus dem aktuellen Illustriertengeschmack, sind aber trotzdem echte Esten. Die Sängerin, die für Estland startet, kommt aus dem befreundeten Schweden und lobt den Mut der Esten, eine Nicht-Estin für das Land singen zu lassen, und zwar den Hit „Runaway". Kann aber auch ein Trick der estnischen Regierung gewesen sein, denn, so verrät Kaili Terras von der estnischen Botschaft in Berlin: „Man drückt die Daumen, dass man nicht mehr gewinnt.“ Wie bitte? Frau Terras ist es ein bisschen unangenehm, die Wahrheit zu sagen.

Sie tut es trotzdem: So ein Song-Contest sei einfach sehr teuer für ein kleines Land. Auch schwierig zu organisieren. Bis vor kurzem gab es überhaupt keine geeignete Halle dafür. Besonders nachhaltig werden die estnischen Schriftsteller die Daumen drücken. Die mussten nämlich auf ihren Schwerpunkt auf der Frankfurter Buchmesse verzichten. Dafür war einfach kein Geld mehr da.

Estland, der nördliche Zipfel des Baltikums, die Hauptstadt Tallinn liegt am Wasser. Die Landesflagge ist blau-schwarz-weiß quergestreift. Die Esten sind sehr stolz auf ihr Land und spicken Partyhäppchen gerne mit einem Nationalfähnchen.

Da sind wir schon bei den Menüvoschlägen: Die internationale Darreichungsform des Partyhappens hat auch das Baltikum durchdrungen. Die Basis sollte aus Schwarzbrot bestehen, die Belagschichten aus kräftigem Käse und fetter Wurst. So lieben es die Esten. Alternativ kann man auch Eischeiben und Sprotten verwenden.

Dazu empfiehlt Brigitte von Engelhardt von der Deutsch-Estnischen Gesellschaft Sako-Bier und Vana-Tallinn, einen herben Kräuterlikör. Ist in Berlin aber kaum vorrätig, also sind Varianten gestattet. Bei der Auswahl von Speisen und Getränken ist zu beachten: Deftig oder hochprozentig. Eine beliebte Kombination ist Schnitzel mit Kartoffelsalat. Allerdings ist der Kartoffelsalat eher ein Gemüse- und Wurstsalat. Rote Beete essen Esten gern, oder auch Heringssalat.

Ganz wichtig: An einem estnischen Abend muss unbedingt gesungen werden. Die Esten gehören zu den Sängervölkern. Wenn ein Este nicht selbst im Chor singt, besucht er zumindest eines der unzähligen Sängerfeste im Land, berichtet Anda Silde von der Baltischen Tourismus-Zentrale.

In Fragen von Dekoration und Kleidung müssen die Estland-Expertinnen allesamt passen. Ganz normal, heißt es. Wer möchte, kann sich als Wikinger ausgeben. Die Esten waren damals gefürchtete Nordmänner. Anda Silde, selbst Lettin, lobt die Esten als pragmatisch, humorvoll und tatendurstig. Also Stimmbänder reinigen, Bier kaltstellen, Fernseher an und auf in die Sängerschlacht!

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