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Kiez-Initiativen: Die Stadt sind wir

Barack Obama will die Mitwirkung der Bürger stärken – ein Vorbild für neue Berliner Kiez-Initiativen.

Da war er wieder, Obamas Wahlslogan. „Yes, we can“, jubelten viele der 1100 Besucher, die Ende November in die Universal Hall in Moabit gekommen waren, um ihr eigenes Engagement zu feiern. Es war die Gründungsveranstaltung der Bürgerplattform „Wir sind da! Wedding/Moabit“.

Mehr als zwei Jahre hatte es gedauert, bis die 40 Gruppen, darunter Moscheevereine, Kitas, Kirchengruppen und ein Selbstständigenverband zu einer Bürgerplattform zusammengewachsen waren. Die Mitglieder stammen aus 100 Nationen, haben ganz unterschiedliche Bildungskarrieren, gehören verschiedenen Religionen an oder sind Atheisten.

Bis das Wort Bürgerplattform in den Duden einzieht, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Im Unterschied zur Bürgerinitiative, die längst drin steht, und sich für oder gegen ein Thema engagiert – die neue Schule oder die Schnellstraße –, will die Bürgerplattform für ihren Kiez arbeiten – und zwar in allen Bereichen. Die junge Plattform Wedding/Moabit will eine dritte Kraft werden, ein starker Partner, der mit anpackt, wenn es Probleme gibt.

So ähnlich hat es vor Jahren schon Barack Obama in Chicago gemacht, als er nach dem Abschluss der Universität in von Armut, Gewalt und sozialen Problemen geprägten Stadtvierteln als „Community Organizer“ arbeitete, der den Bürgern und unterschiedlichen Interessengruppen eines Viertels dabei hilft, sich für ihren Stadtteil einzusetzen – über die jeweiligen Einzelinteressen hinaus (siehe Text rechts). In letzter Zeit ist dieses Modell zunehmend auch in Deutschland populär geworden.

Eine richtige Hierarchie hat die Bürgerplattform Wedding/Moabit nicht. Es gibt ein Strategie- und ein Kernteam: Das Strategieteam berät regelmäßig, was als nächstes zu tun ist. Das Kernteam, in dem alle Vereine mit einer Stimme vertreten sind, nimmt die Vorschläge an. Oder lehnt sie ab. Das Projekt hat eine Koordinatorin: Susanne Sander vom Deutschen Institut für Community Organizing (DICO) an der Katholischen Fachhochschule für Sozialwesen Berlin. Das Institut beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Menschen in einer Kommune oder einem Stadtteil so vernetzen, dass sie Einfluss nehmen und ihre Lebensbedingungen verbessern können. Geleitet wird das DICO vom Amerikaner Leo Penta, der seit mehr als 30 Jahren Bürgerplattformen initiiert, in den USA und in Deutschland.

Schon ein paar Jahre alt ist die Bürgerplattform „Organizing Schöneweide“, die Penta 2002 gegründet hat, damit die Bewohner von Oberschöneweide etwas tun gegen die Verödung ihres Stadtteils. Der war einmal Berlins größtes Industriegebiet, hat aber seit Jahren mit Abwanderung und Arbeitslosigkeit zu kämpfen.

17 Vereine engagieren sich für „Organizing Schöneweide“, 2005 konnte die Bürgerplattform ihren ersten großen Erfolg feiern: Sie holte die Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) in ihren Stadtteil. 6000 Studenten sollen ab dem Wintersemester 2009/2010 an der Wilhelminenhofstraße studieren. Der Fachbereich Gestaltung ist bereits seit 2006 auf dem Gelände untergebracht. Auch hat die Bürgerplattform 2007 die „Schöneweide AG“ gegründet – keine Aktiengesellschaft, sondern eine „Aktionsgesellschaft“, die mit ortsansässigen Firmen und der Senatsverwaltung für Wirtschaft rund 440 neue Arbeitsplätze schaffen möchte. Das Engagement der Bürgerplattform beeindruckt auch den Regierenden Bürgermeister. Bei einem Besuch in Schöneweide sagte Klaus Wowereit (SPD), bei der Plattform sei so viel Know-how vorhanden, das habe er in der Verwaltung gar nicht. Und könnte es auch gar nicht bezahlen.

Die Bürgerplattformen im Netz: www.organizing-berlin.de und www.wir-sind-da-berlin.de

 Rita Nikolow

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