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Berlin: Die Taucher kommen auf den Trichter

Am Hauptbahnhof wird zum letzten Mal unter Wasser betoniert. Eine sportplatzgroße Baugrube wird rund um die Uhr abgedichtet

Diese Männer müssen einen langen Atem haben: die vier Taucher vom Hauptbahnhof. Seit Dienstagabend steigt abwechselnd einer von ihnen in die geflutete Baugrube nördlich der gläsernen Halle. Rund um die Uhr sind die Männer einer französischen Spezialfirma in den nächsten fünf Tagen im Einsatz. „Sie betonieren die Sohle der Baugrube“, erläutert Hany Azer, der Projektleiter des Bahnhofsbaus. Pumpen befördern den flüssigen Beton vom Grubenrand über dicke Schläuche nach unten zum Taucher. Der steht in 18 Metern Tiefe und muss dort unten eine anderthalb Meter dicke Schicht auftragen.

Gut drei Meter beträgt die Sicht dort unten, sagt Olivier Guinet, der Chef der Unterwasserbauarbeiter. So groß wie ein Sportplatz ist die Fläche – da geht eine Menge Beton den Schlauch hinunter. 2000 Lastwagen-Ladungen sind nötig. „63 Lkw rollen pro Stunde an“, sagt Projektleiter Azer. Ist der Beton in einigen Wochen ausgehärtet, heißt es: Wasser raus aus der Grube und ein dicker Deckel aus Beton drauf. Dann können auch die tollkühnen Männer in ihren gummierten Anzügen wieder aufatmen.

Es ist das vorerst letzte Mal, dass eine Baugrube auf diese Weise abgedichtet wird. Das Verfahren wurde für die Bauten am Potsdamer Platz angewandt und auch schon für eine Hälfte der unterirdischen Halle des Hauptbahnhofs, deren Rohbau bereits steht. Die andere Hälfte wächst in der Grube, in der noch die Taucher stecken. Eine anderthalb Meter dicke Betonwand trennt den gefluteten vom trockenen Teil der Baustelle. Später, wenn das Wasser abgepumpt worden ist, wird die Wand herausgesägt – und aus zwei halben wird eine ganze Halle.

Bereits gut zu erkennen ist im ausgebauten Teil des Zentralbahnhofs, dass es ein großes Auf und Ab geben wird. Wenn die 53 Rolltreppen montiert sind, gelangt der Passagier bequem vom Obergeschoss (wo heute schon Züge fahren) übers Erdgeschoss (wo es hinein und heraus geht) ins Untergeschoss (wo die Bahnen aus dem Tunnel auftauchen). Außerdem hat die Station noch diverse Übergänge und Zwischengeschosse – das wird ein Dorado für Schildermaler.

Aber nicht nur am Hauptbahnhof betonieren die Arbeiter um die Wette. „Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck an allen Teilen der Nord-Süd-Verbindung“, erläutert Projektleiter Azer. Da ist zum Beispiel der Fernbahntunnel, der für den Einbau der Gleise vorbereitet wird. Tempo 120 wird hier einmal möglich sein. Damit Kanzler, Parlamentarier, Potsdamer-Platz-Bewohner (und wer sonst noch so rechts und links der Röhre residiert) nicht eines Tages sagen: „Wir können keinen Zug vertragen“, weil es ständig aus dem Erdinnern rumpelt und pumpelt, erhalten die Gleise einen schallisolierenden Unterbau. Das System aus einer elastisch gelagerten Platte, auf der die Schienen montiert sind, wurde extra für Berlin entwickelt. „Weder in der Schweiz, noch in Frankreich haben wir Referenzobjekte gefunden“, sagt Projektleiter Azer.

Zeitgleich mit dem Gleisunterbau stellen die Arbeiter auch die Kanäle her, in den die Versorgungsleitungen verlaufen. Dazu gehört auch ein Rohr, aus dem die Feuerwehr Löschwasser entnehmen kann. Im Unglücksfall gibt es zudem vier Notausgänge am Gleisdreieck, Lennè-Dreieck, an der Scheidemannstraße und am Hauptbahnhof. Aus Sicherheitsgründen dürfen keine Güterzüge durch den Tunnel rollen, und auch für Diesellokomotiven bleibt er gesperrt. Allein elektrische Loks und Triebwagen, die ihren Strom aus einer Schiene an der Tunneldecke beziehen – ebenfalls ein Novum in Berlin – sind erlaubt. Für sie werden die Signale zum Fahrplanwechsel am 27. Mai auf Grün gestellt – im Jahr der Fußball-WM 2006.

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