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Bei der Anzeige klappt’s schon. In vielen Bereichen der Berliner Verwaltung mangelt es aber noch an der Digitalisierung.

© Kai-Uwe Heinrich

Digitalisierung der Berliner Verwaltung: „Der Aufholbedarf ist überall riesengroß“

Ines Fiedler, Chefin des landeseigenen IT-Dienstleistungszentrums, über die digitale Verwaltung, Service für den Bürger – und Schadsoftware an Schulen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Frau Fiedler, Sie führen ein Unternehmen, das im Verborgenen blüht, aber für die Digitalisierung der gesamten Berliner Verwaltung zuständig ist. Was passiert da, in der Berliner Straße in Wilmersdorf?

Mit dem E-Government-Gesetz, das 2016 beschlossen wurde, hat das IT-Dienstleistungszentrum Berlin, das ITDZ, eine neue Rolle bekommen. Die Berliner Verwaltung ist jetzt verpflichtet, Ihre IT-Systeme zu vereinheitlichen und von uns zentral betreuen zu lassen. Wir müssen den Mitarbeitern in den Behörden moderne Technik störungsfrei zur Verfügung stellen. Noch sind wir für 14.500 Arbeitsplätze in den Senats- und Bezirksbehörden zuständig, in einigen Jahren werden es fast 40.000 sein. Den notwendigen Zuwachs an Leistungsfähigkeit kriegen wir nur durch starkes Wachstum hin.

Das heißt?

Das ITDZ hat fast 700 Mitarbeiter, als ich vor zwei Jahren die Leitung übernahm, waren es noch 550. Für das nächste Jahr wurden uns 140 neue Stellen bewilligt, in fünf Jahren werden wir wohl 1200 Mitarbeiter haben. Schon jetzt sind die Büroräume knapp. Wir haben gerade ein Gebäude in der Nachbarschaft gemietet, um mittelfristig alle Beschäftigten unterbringen zu können. Das sind nicht alles IT-Experten, bei uns ist beispielsweise auch das Callcenter für das Bürgertelefon 115 angesiedelt. Es bleiben 350 bis 400 IT-Spezialisten, das ist zu wenig. Nehmen Sie beispielsweise Dataport, ein gemeinsamer Dienstleister für sechs Bundesländer, mit etwa den gleichen Aufgaben, die wir in Berlin haben. Dort arbeiten 2500 Menschen.

Gibt es denn noch genügend IT-Fachleute auf dem Arbeitsmarkt?

Auf unsere Ausschreibungen kriegen wir im Durchschnitt nur noch sechs Bewerbungen, der IT-Markt ist fast leer gefegt. Denn auch die anderen Bundesländer modernisieren ihre Verwaltung und wollen die E-Akte einführen. Noch sind wir gut unterwegs. Berlin zieht, als Hauptstadt und attraktiver Wirtschaftsstandort, außerdem bilden wir selbst aus. Zurzeit sind es 56 Azubis und Studenten, die meisten bleiben bei uns. Das ITDZ macht einen Kulturwandel durch, das Durchschnittsalter ist mit 45 Jahren niedrig, mit weiter sinkender Tendenz. Junge, leistungsbereite Leute kommen gern zu uns.

Berliner Behörden zahlen eher schlecht.

Wir haben erreicht, dass IT-Arbeit vom Senat wieder als Mangelberuf anerkannt wird. Der Bund zahlt für IT-Kräfte inzwischen Zulagen. Ich könnte mir auch einen eigenen Tarifvertrag für das ITDZ vorstellen, aber das muss politisch entschieden werden. Es zählt auch nicht nur das Geld. Die Arbeitsbedingungen sind gut, Überstunden werden ausgezahlt oder abgebummelt, wir sind ein familienfreundliches Unternehmen. Kürzlich haben wir eine Initiative gestartet, unseren Mitarbeitern wertschätzend Danke zu sagen. Eine gute Unternehmenskultur hilft, die Beschäftigten auch ohne Spitzengehälter zu binden. Leider nehmen uns die Bundesbehörden ganz gern die Leute weg.

Sie brauchen auch modernste Technik. Wie steht es damit?

Die Innovationszyklen bei IT liegen bei fünf Jahren, die Modernisierung ist eine Daueraufgabe. In den vergangenen Jahren hat auch das ITDZ und sein Data Center unter dem Investitionsstau in Berlin gelitten. Inzwischen hat die Politik verstanden, dass mächtig aufgerüstet werden muss. Mitte letzten Jahres bekamen wir vom Senat 33 Millionen Euro, etwa doppelt so viel wie in vergangenen Jahren. Davon wurden schon 26 Millionen Euro verbaut, den Rest werden wir in den nächsten Monaten ausgeben. Auch im Haushalt 2018/19 ist garantiert, dass wir bekommen, was wir brauchen. Das Geld fließt vor allem in die Netzwerkmodernisierung und ins zentrale Rechenzentrum.

Muss das ITDZ alles selbst machen, kann nicht auch die Privatwirtschaft helfen?

Private Unternehmen sind für uns bereits ein guter Partner, die Auftragsvolumen haben sich in kurzer Zeit fast verzehnfacht. Wir arbeiten beispielsweise mit Microsoft zusammen, aber selbst diese Konzerne stoßen mit ihren personellen Ressourcen allmählich an Grenzen. Mit SAP, mit dem wir im Bereich der Personalabrechnung kooperieren, würden wir gern mehr machen. Wir sollten insgesamt mutiger sein mit den Ressourcen, die in Berlin zur Verfügung stehen. Warum nehmen wir nicht gelegentlich für Spezialaufgaben ein paar Start-ups dazu?

Warum hütet jedes Land seine eigene IT?

Das stimmt so nicht. Wir haben Kooperationen mit Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, es gibt auch Überlegungen für eine gemeinsame Cloud. Ich denke, dass angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels länderübergreifendes Handeln zwingend notwendig wird. So hat Dataport das Bürger-Servicekonto für Berlin entwickelt, die Arbeit im Verbund sollten wir voranbringen. IT-Leute denken in übergreifenden, standardisierten Systemen, da stört der Föderalismus manchmal.

Was haben die Bürger davon?

Das Servicekonto, für das sich jeder Bürger registrieren kann, um Dienstleistungen der Verwaltung online in Anspruch zu nehmen, ist technisch weitgehend vorbereitet, es kann kommen. Geplant sind vorerst drei Angebote: die Ausstellung der Anwohner-Parkvignette, Gewerbeanmeldungen und der Kita-Gutschein. Langfristig hat die IT-Staatssekretärin des Senats, Frau Smentek, rund 100 Online-Dienstleistungen in Aussicht gestellt. Darüber entscheidet die Politik, wir liefern das technische Know-how.

Hält denn das Bürgertelefon 115, was es verspricht?

Die Mitarbeiter im Callcenter sagen mir, es wäre toll, wenn alle Bezirke gleiche Geschäftsprozesse und Datenbanken hätten. Bisher kriegt ein Bürger in Steglitz-Zehlendorf bei der gleichen Frage manchmal andere Auskünfte als in Pankow. Ich wünsche mir mehr Vereinheitlichung – und Innovationen. Wir arbeiten gerade an einem neuen System für die Spracherkennung, da ist Berlin Vorreiter.

Die Berliner finden ihre Verwaltung immer noch langsam und umständlich.

Wenn in Berlin ein Kind geboren wird, werden die Daten für die Ausstellung der Geburtsurkunde und anderer Dokumente immer noch zwischen mehreren Behörden zeitaufwendig hin- und hergeschoben. Da spielen weniger die Technik, sondern Ressortdenken und rechtliche Barrieren eine Rolle. Das Gesamtsystem muss stimmen. In Tel Aviv wurden gerade erst innerhalb von drei Monaten mehrere Open-Data-Projekte umgesetzt. Dort gibt es aber auch schon lange eine einheitliche IT-Infrastruktur, auf der sich schnell aufbauen lässt.

Das ITDZ Berlin soll nicht nur die Datenverarbeitung des Senats, sondern auch der Bezirke übernehmen. Wer fängt an?

Pilotbezirk ist Charlottenburg-Wilmersdorf, dessen IT zuerst von uns übernommen wird. Das betrifft den Netzbetrieb an 42 Verwaltungsstandorten, die Technik stammt aus vier Generationen. Bezirksbürgermeister Naumann steht voll hinter dem Projekt, das macht sich positiv bemerkbar. Aber wir erleben im Zuge der IT-Übernahme viele Überraschungen: veraltete Software, historische Telefonanlagen, kein Outlook, kein Active Directory. Es gibt auch zu wenige Notebooks oder Tablets, damit von zu Hause oder unterwegs gearbeitet werden kann.

Ist es in Charlottenburg-Wilmersdorf besonders schlimm?

Nein, der Aufholbedarf ist überall riesengroß. So haben wir bei einer Abfrage in 13 Berliner Behörden festgestellt, dass dort mit 8000 verschiedenen Softwarepaketen gearbeitet wird. Das muss alles standardisiert werden. Auch diese Zahl zeigt, wie hoch der Berg ist, den wir besteigen. Gerade haben wir die IT-Systeme in den Berliner Schulen, im administrativen Bereich, analysiert und so viel Schadsoftware gefunden, dass unsere Virenscanner nicht mehr ausgereicht haben. Das muss alles sauber sein, bevor es an das Landesnetz angeschlossen wird.

Wie steht es generell um die Datensicherheit in der Berliner Verwaltung?

Jährlich müssen wir acht Millionen Angriffe auf das Berliner Landesnetz abwehren. Das Problem mit den Spams ist nicht mehr so groß, aber es gibt immer neue Herausforderungen, aktuell das Problem mit den Intel-Prozessoren. Da müssen innerhalb weniger Tage bis zu 3000 Server Sicherheits-Patches erhalten. Aber ich versichere Ihnen: Das ITDZ ist in puncto Sicherheit gut aufgestellt.

Was steht im laufenden Jahr an?

In diesem Jahr beginnen wir, neben Charlottenburg-Wilmersdorf auch den IT-Betrieb von Spandau, Friedrichshain-Kreuzberg und der Senatskanzlei zu übernehmen. Sobald die Netzwerke in unser Data-Center migriert sind, können wir die 7600 betroffenen Arbeitsplätze mit dem sogenannten Berlin-PC einheitlich ausstatten. Das Problem ist, dass viele Verfahren und Softwarekomponenten, die im Einsatz sind, mit der neuen Technologie nicht zurechtkommen. Dieses Problem lässt sich nur schrittweise lösen.

Eigentlich sollte ab 1. Januar 2018 die IT der gesamten Berliner Verwaltung an das ITDZ übergeben werden. Warum geht es jetzt nur schrittweise voran?

Wir brauchen einen längeren Atem, denn das ITDZ muss noch 68 000 IT-Plätze übernehmen, davon ausgenommen sind vorerst 28 000 Arbeitsplätze bei Polizei und Feuerwehr. Vor allem die Polizei ist digital so gut aufgestellt, dass sie sich aus eigener Kraft dem neuen Standard annähern kann. In der nächsten Wahlperiode wollen wir schauen, ob und wie die IT-Systeme von Polizei und Feuerwehr integriert werden. Vielleicht wird es auch bundeseinheitliche Verfahren geben.

Gibt es in der Berliner Verwaltung eine technikfeindliche Stimmung?

Nein. Die Bereitschaft zur Digitalisierung ist vorhanden, auch wenn noch nicht alle an Bord sind. Es gibt viele Fragen: Komme ich mit der neuen Technik zurecht? Mit den neuen Programmen und Arbeitsweisen? Kann ich dem ITDZ, dieser großen Datenverarbeitungsmaschine, vertrauen? Wir müssen die Menschen abholen, dabei hilft uns der demografische Wandel, die jungen Leute ziehen gut mit. Aber eines ist klar – die Arbeitsprozesse werden sich auch in der öffentlichen Verwaltung massiv verändern.

Ines Fiedler leitet seit dem 1. Mai 2016 das ITDZ Berlin, in dem sie seit 2013 arbeitet. 
Ines Fiedler leitet seit dem 1. Mai 2016 das ITDZ Berlin, in dem sie seit 2013 arbeitet. 

© promo

Das ITDZ: ist der „Full-Service-Anbieter“ für IT-Dienstleistungen im Land Berlin. Als Anstalt des öffentlichen Rechts muss sich das Unternehmen aus eigener Kraft finanzieren, erhält aber für die aufwendige Technik Investitionszuschüsse vom Land Berlin. Wegen diverser Pannen und Mängel stand das ITDZ in den vergangenen Jahren häufig in der Kritik.

Historie: Das ITDZ Berlin gibt es seit mehr als 50 Jahren. Es wurde 1969 als Landesamt für Elektronische Datenverarbeitung gegründet, damals wurden im US-Verteidigungsministerium die ersten Vorläufer des Internets entwickelt.

Anschluss: Das ITDZ betreibt unter anderem das mehr als 1000 Kilometer lange Berliner Landesnetz (BeLa), das der Berliner Verwaltung damit ein eigenes Kommunikationsnetz bietet.

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