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Berlin: Dilek und die Familienehre

Neuköllner Jugendliche verfilmen eine Geschichte aus ihrem Leben

Die Stimmung ist gespannt, der Drehtag fing mit Komplikationen an. „Einer der Hauptdarsteller wollte ein neues Sweatshirt, um weiterzuspielen. Da mussten wir ihm erst einmal erklären, warum das nicht geht“, berichtet Manuela Sharifi. Die Produzentin und Drehbuchautorin betreut den Workshop, bei dem Jugendliche aus Migranten-Familien nach einer eigenen Geschichte ein Drehbuch schreiben und verfilmen, gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung.

„Erzählt mir eure wahren Geschichten“, hat Manuela Sharifi die Jugendlichen aus dem Neuköllner Reuter-Kiez immer wieder aufgefordert. Am Anfang kamen nur Storys über Bandenkriege raus, aber damit war die Produzentin nicht zufrieden: „Ist das authentisch, kann das so passieren?“ Manuela Sharifi kennt das Leben zwischen den Kulturen: „Ich bin selbst halb persisch, halb deutsch.“ Heimat, Zugehörigkeit – all das interessierte sie. Acht Wochen hatte es gedauert, bis sie den Durchbruch erzielte: „Dann haben sie gemerkt, dass sie mich nicht verscheuchen können und ich sie wirklich ernst nehme.“

Schon lange habe niemand mehr diese Kids erreicht, sagt sie. Einer, der es dennoch geschafft hat, ist der Schauspieler Werner Daehn. In „Triple X“, einem Hollywood-Film, wie ihn die Jungs aus Neukölln gut finden, mit viel Action und Tempo, spielt Daehn einen Scharfschützen. Aber heute, mitten unter den Jugendlichen, ist er einer von ihnen. Am Set im Club „Icon“ in der Cantianstraße betreut Daehn sie, gibt Tipps für Stunt-Szenen und hat in ihrem Kurzfilm „Zwischen den Welten“ sogar einen kleinen Gastauftritt.

Eine Geschichte über Freundschaft, Liebe, Tradition sollte es werden. In einem Stadtteil wie Neukölln ein heikles Thema. In dem Film wird die türkische Dilek von dem aus Libanon stammenden Ahmad schwanger. Für den ist das schon ein Schock, und nun will Dileks Brüder Kemal auch noch die Familienehre rächen …

Ist das authentisch? „Ja, einige der Jungs sind strenggläubig und haben bei der Diskussion gesagt, dass Kemal richtig handelt“, erzählt Melda Atalay alias Dilek. Die sechzehnjährige Deutschtürkin wohnt zwar in Reinickendorf, aber sie tanzt im Neuköllner Jugendzentrum „Manege“. Dort wurde sie von Manuela Sharifi angesprochen und machte nach anfänglichem Zögern mit – anders als die Mädchen aus dem Kiez, die nicht durften oder wollten. „Da ist eine grundsätzliche Angst, Grenzen zu überschreiten“, hat die Projektleiterin festgestellt. Darum geht es aber in dem Projekt: Die Jugendlichen sollen anfangen, über sich nachzudenken und zu reden, – und gehört werden.

Der 15-minütige Film, der im Juni beim Festival „Berlin 05 “ zu sehen ist, wird von einem professionellen Team um Regisseur Daniel Steiner gedreht. Für die sechs Drehtage gab es schulfrei. Über zehn Stunden Einsatz an einem Tag, für wenige Minuten Film: Das ist harte Arbeit – die zum Erfolg gehört, genauso wie Disziplin, Pünktlichkeit und Respekt voreinander. Für Werner Daehn ist es noch wichtiger, den Jugendlichen zu zeigen, dass man etwas schaffen kann: „Wenn Menschen eine Chance bekommen, ist oft auch Talent da.“ Seine Befürchtungen, dass sich die Jugendlichen verkrampfen würden, haben sich nicht bewahrheitet. „Sie spielen ja auch im Film in einer Gruppe – in ihrer Gruppe. Das gibt ihnen Selbstbewusstsein und Lockerheit.“

Juliane Schäuble

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