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Berlin: Diskriminierend?

Wie Deutsche auf die Fragen aus dem Test reagieren

Mag sein, Jens Hagemann würde nie deutscher Staatsbürger, wenn er es nicht schon wäre. Denn auf Frage Nummer 19 antwortet er: „Ich würde eine 45er Magnum besorgen.“ Eine Pistole also. Hagemann sagt es spaßig, aber man weiß nicht, ob der Beamte, der ihm Frage Nummer 19 stellen könnte (Was würden Sie tun, wenn Ihre Tochter vergewaltigt wird?), es spaßig auffassen würde. Zudem enthält Hagemanns Antwort einen ernsten Kern. Er sagt, wenn er sich in einem solchen Fall von der deutschen Justiz allein gelassen fühlte, „könne es sein, dass es mir schwer fiele, die rechtsstaatlichen Prinzipien einzuhalten“.

Jens Hagemann, 39 Jahre alt, Geschäftsführer einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und dem flüchtigen Eindruck nach ein Mensch mit vernünftigen Ansichten, ist Deutscher. Er wird keine Fragebögen beantworten müssen, um es zu werden. Und er ist froh darüber.

Er ist einer von elf Deutschen, denen wir die Fragen aus dem sogenannten Gesinnungstest gestellt haben, ohne den Baden-Württemberg nun keine Muslime mehr einbürgern will. Erst nach dem Gespräch haben wir verraten, was es mit den Fragen auf sich hat. Wie er denn die Fragen empfunden habe? Einige, sagt Hagemann, fand er „sehr privat. Ich denke, dass einige Dinge, die Sie von mir wissen wollten, den Staat nichts angehen“. Zum Beispiel, was er tun würde, wenn sein volljähriger Sohn ihm eröffnete, er sei schwul und wolle mit seinem Freund zusammenziehen.

Die Mehrheit sieht es anders. Der 44-Jährige Mann etwa, der am frühen Nachmittag am Tresen einer Bierkneipe in der Potsdamer Straße sitzt. Er sagt: „Ich finde, das sind Dinge, die man fragen kann.“ Und warum solle der Staat nicht fragen dürfen, was einer davon halte, wenn ein Mann mit zwei Frauen gleichzeitig verheiratet sei? Seinen Namen will er allerdings nicht verraten. Abgesehen davon, sagt der Mann, habe er Zweifel. Zweifel, dass sich mit Hilfe des Fragebogens tatsächlich klären lasse, ob jemand sich zu einer Verfassung bekennt. „Man besorgt sich Fragen und Antworten – und lernt sie auswendig. Fertig. Wie bei der Führerscheinprüfung.“ Marc Neller

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