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Berlin: Drill in der Schule und die Erfolge der Reformpädagogik

Respekt! Respekt!

Respekt! Respekt! Um Autoritäten geht es in der jüngsten Ausstellung, die die Staatsbibliothek und Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung gemeinsam ausgerichtet haben. 150 Bücher sind zu sehen, darunter Raritäten wie das Kinderbuch "Ritter von Turn" aus dem Jahre 1498 oder das in Augsburg 1483 erschienene Bilderheft "Der Sele trost". Im Mittelpunkt stehen die pädagogischen Traditionen von der Aufklärung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie untermauern das, was Hanno Schmitt von der Universität Potsdam in seinem Eröffnungsvortrag umriss: Eine kritische Betrachtung von Autorität ist durchaus keine Erfindung der "antiautoritären Erziehung".

Das zeigt bereits Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), der mit seinem Roman "Emile oder über die Erziehung" das bis dahin gültige Verständnis von Autorität radikal in Frage stellte. Als Ursache für falsches Verhalten hatte Rousseau die Erwachsenen ausgemacht, die in Wirklichkeit "durch Erziehung verdorbene Kinder" seien. Fehlentwicklungen bei Kindern habe er auf Fehler im Erziehungsprozess zurückgeführt. Rousseau habe eine durch Vernunft geleitete Autorität gefordert, die darauf vertraut, dass Kinder "durch Erfahrung klug" werden. Auch in Deutschland seien ähnliche Ansichten vertreten worden, etwa von Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811), dem "Klassiker der Familienerziehung". Dieser habe gefordert, dass der Erzieher die Ursache der Untugenden seiner Zöglinge immer in sich selbst zu suchen habe.

Schmitt war in seinem Vortrag vor allem der "vernünftigen Autorität" auf der Spur. Diese fand er aber im Hauptstrom der pädagogischen Texte des 19. Jahrhunderts nur schwer. Vielmehr sei vorwiegend von der "Regierung der Kinder", von "Zucht" und von "Maßregeln" die Rede. Schmitt zitierte das "Encyklopädische Handbuch der Erziehungskunde mit besonderer Berücksichtigung des Volksschulwesens" von Gustav Adolf Lindner (1884), wo es heißt, dass eine "Zerbröckelung derselben [der Autorität] durch frivole Reflexionen, falsche Aufklärung und Selbstüberhebung eine der Hauptursachen des gegenwärtigen Sittenverfalles" sei. Von dem Lehrer verlangte Lindner, dass er auf einem Sockel steht und sich nur vorübergehend zu den Schülern herablässt, "um die Strenge der Autorität durch die Freundlichkeit des Wohlwollens zu mildern". Entsprechende Bilder werden gezeigt.

Um 1900 änderte sich das traditionelle Verständnis von Autorität in der Reformpädagogik. Nach Ludwig Gurlitt sollte die Erziehungslehre auf der Beobachtung des Kindes aufgebauen. Der Gegensatz zwischen "alter und neuer Erziehung" stand damit fest: die eine hielt "das Autoritätsprinzip unerschüttert hoch" und die andere predigte "das Recht des Kindes". Die Reformpädagogen strebten, so Schmitt, eine vernünftige Autorität an, die durch ein kameradschaftliches Verhältnis der Erzieher zu den Kindern und Jugendlichen bestimmt war.

Als Beispiel zitiert Schmitt aus einem Vortrag des Arztes und Pädagogen Leonhard Seif aus dem Jahr 1921: "Bewusster Abbau des pädagogischen Imperialismus und Militarismus, alles Zwingens und Drohens, alles Bevormundungsrechts und alles Sichunentbehrlichmachens, des auf das Kind drückenden Unfehlbarkeitsdünkels, der herrischen Rechthaberei und quälenden Unzugänglichkeit". Im Nationalsozialismus nutzten die Ideologen die Bereitschaft der Kinder, Führern und Vorbildern zu folgen bis zur Diffamierung von Juden. Kinderbücher, in denen die Mutter ihren Sprösslingen erklärt, warum sie nicht bei Juden einkaufen dürfen, wurden veröffentlicht. In der Ausstellung sind sie zu sehen."Respektspersonen", Austellung über Eltern und Kinder in der Staatsbibliothek, Potsdamer Straße 33, 10785 Berlin-Tiergarten. Öffnungszeiten: Mo-Fr 12-20 Uhr, Sa 10-17 Uhr, sonn- und feiertags geschlossen. Ausstellung "Lehrer und Schüler" in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, Warschauer Straße 34-38, 10243 Berlin-Friedrichshain

Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-18 Uhr Samstag, sonn- und feiertags geschlossen. Freier Eintritt.

Anne Strodtmann

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