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Berlin: Eckart Werthebach im Gespräch: "Es gibt eine alarmierende Entwicklung"

In den nächsten Tagen wird Innensenator Eckart Werthebach (CDU) den Verfassungsschutzbericht 2000 vorstellen. Einer der Schwerpunkte im Bericht ist der Extremismus radikal-islamischer Gruppen.

In den nächsten Tagen wird Innensenator Eckart Werthebach (CDU) den Verfassungsschutzbericht 2000 vorstellen. Einer der Schwerpunkte im Bericht ist der Extremismus radikal-islamischer Gruppen. Der Tagesspiegel sprach mit dem Innensenator über die Gefahr, die von diesen Gruppen ausgeht. Der Innensenator will das Verbot von bestimmten Organisationen prüfen, wenn der Gesetzgeber Ausnahmen vom Religionsprivileg zulässt.

Vergangene Woche tagte in der Friedrich-Ebert-Stiftung ein Forum zur Inneren Sicherheit in Zeiten der Globalisierung. Ein Name bestimmte die Debatten: Bin Laden, Kopf hinter einem Netz islamistischer Terrorgruppen. In Frankfurt am Main hat die Bundesanwaltschaft einen deutschen Ableger ausgemacht. Wie sieht es in Berlin aus?

Die jüngsten Festnahmen waren ein großer Erfolg der deutschen Sicherheitsbehörden. Die Ermittlungen im Zusammenhang mit den Festnahmen im Dezember 2000 in Frankfurt dauern aber noch an. Die Ermittlungen werden zeigen ob und welche Zusammenhänge mit Berlin bestehen.

Bundesinnenminister Otto Schily drängt auf eine stärkere Beobachtung radikal-islamistischer Gruppen durch den Verfassungsschutz. Wie aktiv sind diese Kräfte in Berlin?

Darauf hat nicht nur Schily gedrängt, sondern auch mein Kollege Beckstein und ich. Die Mehrheit der in Berlin lebenden Muslime achtet die deutschen Gesetze. Aber in den vergangenen Jahren haben sich in Deutschland - vor allem in Berlin - breit gefächerte islamische extremistische Strukturen entwickelt, die alarmierend sind.

Welche Erkenntnisse hat der Verfassungsschutz?

Dass innerhalb der islamischen Gruppierungen in Berlin seit Ende der neunziger Jahre eine Besorgnis erregende Entwicklung eingesetzt hat: Während in der Vergangenheit lediglich einzelne Moscheezentren oder Vereine propagandistisch auf ihre Mitglieder einwirkten, sind nunmehr auch Anstrengungen zum Aufbau einer Parallelgesellschaft festzustellen: Eine Gesellschaft, die sich an den Prinzipien des Korans und der islamistischen Rechtsordnung (Scharia) orientiert und die wesentlichen Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aufheben will.

Mit welchem Erfolg?

Ziel islamistischer Zentren ist es nicht mehr allein, den Muslimen die Möglichkeit einzuräumen ihrem Glauben nach zu gehen. Islamisten haben den mangelnden Integrationswillen eines Teils der hier lebenden Muslime erkannt und versuchen, dies auszunutzen. Diese Entwicklung umfasst nicht nur türkische Organisationen wie die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs, sondern zunehmend auch arabische Zentren. Diese sind bestrebt, ihr Netzwerk, das auch wirtschaftliche Bereiche wie Lebensmittelgeschäfte und Reisebüros umfasst, weiter auszubauen. Von daher wird der Verfassungsschutz extremistische Bestrebungen solcher Gruppierungen noch intensiver aufklären.

Können Sie das in Zahlen benennen?

In Berlin sind derzeit etwa 4200 Personen den islamistischen Organisationen unterschiedlicher Nationalität zuzurechnen. Die Zahl umfasst aber nur Mitglieder oder Anhänger, die bestimmten Organisationen zugeordnet werden können. Nicht erfasst sind Anhänger islamistischer Organisationen, die hier nicht über Strukturen verfügen und die in Berlin vorhandene Moscheen nutzen.

Welche Gruppen dominieren den islamistischen Extremismus hier?

Viele islamische Zentren werden von Organisationen wie Hamas Hizb Allah oder der Muslimbruderschaft beeinflusst. Einige sind zunehmend auch Anlaufstellen für Personen aus dem Netzwerk der arabischen Mudjahedin. Dort wird durch systematische Agitation und Missionsabeit gesellschaftliche Desintegration gefördert und der Boden für religiös motivierte Gewalt bereitet. Davon betroffen sind insbesondere in Deutschland geborene junge Muslime der zweiten und dritten Generation. Diese legalen und illegalen Strukturen dienen außerdem der finanziellen Unterstützung terroristischer Strukturen in den Heimatländern.

Nach den Plänen Schilys soll nicht nur die Beobachtung verstärkt werden, es soll auch nicht mehr jede Organisation geschützt werden, nur weil sie sich religiös nennt. Werden demnächst Vereinsverbote geprüft?

Mit dem Bundesinnenminister bin ich der Meinung, dass das Religionsprivileg im Vereinsgesetz der Überprüfung bedarf. Es kann nicht sein, dass die Religionsfreiheit und der besondere Schutz der Religionsgemeinschaften als Deckmantel für Agitation und Extremismus dienen, die Sanktionen des Vereinsgesetzes aber wegen des Religionsprivilegs nicht zur Anwendung kommen können. Wenn der Gesetzgeber Ausnahmen von dem Religionsprivileg im Vereinsgesetz tatsächlich aufnehmen will - was ich sehr begrüßen würde - kämen natürlich auch Vereinsverbote in Betracht.

Bringt die Globalisierung tatsächlich auch für Berlin die Gefahr eines verstärkt importierten islamistischen Glaubenskieges?

Seit geraumer Zeit ist unverkennbar, dass sowohl auf sunnitischer wie schiitischer Seite Anstrengungen unternommen werden, regionale Zentren in überregionale Stukturen einzubetten. Berlin spielt in diesen Überlegungen eine wichtige Rolle. Der Aufklärung dieser Strukturen und Aktivitäten kommt ebenso große Bedeutung zu wie der Durchdringung des Netzwerks arabischer Mudjahedin. Die Brisanz dieses neuartigen Phänomens wurde durch die Festnahmen in Frankfurt deutlich.

Vergangene Woche tagte in der Friedrich-Ebert-Stif

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