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Berlin: „Ehe ich eingreifen kann, ist alles zu spät“

Die Sicherheitsregeln sind ausreichend, heißt es nach dem Neuköllner Badeunfall. Zur Kontrolle aber fehlt das Personal

Planschende Kinder, überfüllte Liegewiesen, die Stimmung scheint ungetrübt im Neuköllner Sommerbad am Columbiadamm. Erst am Mittwoch hat sich hier ein tragischer Badeunfall ereignet. Ein 16-Jähriger habe die Anweisungen des Bademeisters missachtet und sei mit einem Kopfsprung vom Drei-Meter-Turm auf einen Schwimmer geknallt, der sich noch im Wasser befand. So beschrieb Klaus Lipinsky, Chef der Berliner Bäderbetriebe, den Unfall. Es ist der sechste dieser Art innerhalb zweier Wochen, der Junge bleibt vielleicht querschnittsgelähmt.

Das Aufsichtspersonal im Columbiabad scheint nach dem Unfall geschockt. Keiner möchte sich dazu äußern. Die Badegäste selbst haben von dem Vorfall nichts mitbekommen, sind sich aber der Gefahren offenbar bewusst: „Angst vor Badeunfällen muss man immer haben, aber das ist größtenteils die Schuld von Jugendlichen, die sich durch waghalsige Sprünge profilieren wollen“, meint Familienvater Zdenko Kristic, Dauergast am Columbiadamm.

Die zehnjährige Gülsah, die in der langen Schlange vor dem Sprungturm wartet, sagt: „Ich habe schon ein wenig Angst, aber der Bademeister steht hier ja immer mit auf dem Brett und sagt mir dann ganz genau, wohin ich springen soll.“

In allen Freibädern ist man überzeugt, dass die Sicherheitsmaßnahmen ausreichen. „Nur weil sich anderswo Unfälle ereignen, können wir unser Freibad nicht schließen. Wir halten uns streng an die Sicherheitsvorkehrungen und hatten noch nie derlei Badeunfälle“, sagt Reinmar Rach, ehrenamtliches Mitglied des Vereins TiB (Turngemeinde in Berlin), der das Freibad Friedrichshagen betreibt.

„Wir arbeiten täglich am Limit mit zwei, manchmal sogar drei Bademeistern am Sprungturm. Mehr als beobachten und manchmal präventiv eingreifen können wir auch nicht“, kommentiert Michael Mohaupt, Leiter im Gropiusbad, den tragischen Vorfall. Dass sich die Besucher um die Sicherheit sorgen, hat er bislang nicht gehört.

Jürgen Löggow, Bademeisterchef im Freibad „Am Insulaner“, sieht in Sprungtürmen ein großes Unfallrisiko. „Die jungen Leute sind so verrückt, da kann leicht was passieren. Zum Beispiel beim Kettenspringen, wo alle nacheinander über das Brett rennen und jeder in eine andere Richtung springt. Ehe ich da eingreifen kann, ist alles zu spät.“ Während er spricht, sieht er, wie wieder drei Kinder gleichzeitig auf dem Dreimeterbrett stehen. Löggow schimpft: „Bei mir hat nur einer auf dem Brett zu sein. Aber manche Kollegen sind eben zu lasch.“ Man müsste einen Bademeister aufstellen, der die Zulassung zu dem Sprungturm kontrolliert, fährt er fort. Dafür gebe es aber nicht genug Personal. Insgesamt stehen für die durchschnittlich 5000 Besucher vier Bademeister zur Verfügung, einer davon ist für den Sprungbereich verantwortlich. Dieser muss sich auf dem Hochsitz befinden. „Ansonsten kann er die Situation nicht überblicken“, so der Bademeisterchef.

Das Sommerbad Mariendorf hat dieses Problem besser gelöst. Um Unfälle wie den im Columbiabad zu verhindern, wird nur eine Person auf das Sprungbrett gelassen. „Wenn es sehr voll ist, dann gehen die Bademeister mit auf das Brett und überwachen die Einhaltung der Regel. Hilft dies nichts, müssen die Störer das Bad verlassen“, sagt Rettungsschwimmer Ralf Thiem.

Anja Casper, Friederike Ludewig

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