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Berlin: Ehrenamt: "Mein Leben ist reicher"

Viel hilft viel, sagt eine Bauernregel. Bei sozialen Projekten stimmt das sogar.

Viel hilft viel, sagt eine Bauernregel. Bei sozialen Projekten stimmt das sogar. Viele Einrichtungen brauchen ehrenamtliche Helfer. Bis zum Berliner Freiwilligentag am 16. September, den der Treffpunkt Hilfsbereitschaft und der Paritätische Wohlfahrtsverband in Berlin organisieren, wollen wir möglichst viele Menschen in dieser Stadt dafür gewinnen, sich als Helfer ohne Honorar zu engagieren. In den kommenden Wochen stellt der Tagesspiegel Berliner vor, die sich für andere einsetzen. Sie erzählen, was sie geben wollen und was ihnen ihr Ehrenamt gibt. Ingeborg Roloff kann sich ein Leben ohne freiwillige Tätigkeit gar nicht vorstellen: Die 73-jährige Zehlendorferin engagiert sich seit 30 Jahren für Eltern drogenabhängiger Kinder.

Wie alles angefangen hat? Einer meiner drei Söhne hatte Probleme. Wir haben uns als betroffene Eltern zusammengefunden und gemeint, wir brauchten nur an die Öffentlichkeit zu gehen, und das Drogenproblem würde im Keim erstickt. Dass ich mich dem Thema mein halbes Leben widmen würde, hätte ich nie gedacht. Als Mutter ist man ja kolossal verunsichert, voller Scham- und Schuldgefühle und fragt sich: Was habe ich nur falsch gemacht? Da hilft es zu sehen, dass auch andere Probleme haben, obwohl sie sich bei der Erziehung Mühe gaben - durch alle Altersgruppen, in allen Schichten. In einem Gesprächskreis können sich Eltern Verständnis entgegenbringen, das ihnen Unbeteiligte nicht geben können. Sie bekommen wieder Boden unter den Füßen. Wir versuchen zu vermitteln, dass man seinem Kind nicht zu viel Verantwortung abnehmen darf. Dass man ihm Grenzen setzen muss. Außerdem brauchen Eltern Informationen über Hilfen für Drogenabhängige und ihre Rechte als Erziehungspersonen.

Später habe ich dem Bundesverband vorgestanden, wir haben ja in ganz Deutschland über 170 Elternkreise. In Berlin gibt es allein zehn. Auch war ich fünf Jahre Vollzugshelferin und habe drogenabhängige Jugendliche betreut, die straffällig geworden sind. Heute arbeite ich in einem unserer Elternkreise mit, der sich zweimal im Monat trifft, und stehe Anrufern am Telefon zur Verfügung. Sicher, manchmal konnte ich das Thema Drogen nicht mehr hören und dachte, das hältst du nie durch. Aber ich wäre ohne mein Ehrenamt nicht die, die ich bin. Mein Leben ist dadurch reicher geworden.

Es ist ein besonderes Glück, mit Menschen zusammenarbeiten zu dürfen, die ihre Tätigkeit rein idealistisch ausüben. Ein Glücksmoment ist es auch, wenn Eltern sich - manchmal erst nach Jahren - wieder melden und sagen, dass ihnen der Elternkreis entscheidend geholfen hat. Für mich habe ich durch das Zusammensein mit so verschiedenen Leuten gelernt, dass es unterschiedliche Wege gibt, sein Leben gut zu führen, und dass man seine Kinder nicht vor allem behüten kann. Die Beschäftigung mit anderen ist auch eine Gelegenheit, sich selbst besser kennen zu lernen. Ich kann jedem nur Mut machen, sich zum Ehrenamt aufzuraffen. Was der Sache aber nicht dient, sind Leute mit Helfersyndrom, die alles auf sich nehmen, ohne selbst Kraft zu tanken. Oder Betriebsnudeln, die nur auf Anerkennung aus sind. Man muss das Amt letztlich altruistisch ausfüllen. Dann wird man immer Bereicherung erfahren.

Annette KögelDie E

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