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Berlin: "Ehrliche und Unehrliche": Die tapfer betrügenden Schneiderlein

Wer die Handwerksehre verletzt, wird bestraft: Das war schon vor mehreren Hundert Jahren so. Da gab es beispielsweise eine so genannte Backpolizei, die nicht nur die hygienischen Bedingungen kontrollierte, sondern auch die Waren auf Gewicht, Qualität und Preis überprüfte.

Wer die Handwerksehre verletzt, wird bestraft: Das war schon vor mehreren Hundert Jahren so. Da gab es beispielsweise eine so genannte Backpolizei, die nicht nur die hygienischen Bedingungen kontrollierte, sondern auch die Waren auf Gewicht, Qualität und Preis überprüfte. "Mangelhafte Produkte wurden sofort zerbrochen, und der Bäcker durfte einen Monat lang nicht backen", erklärt Barbara Hoffmann, Abteilungsleiterin im Berliner Handwerksmuseum, alte Bräuche. Eine neue Ausstellung nimmt den Besucher dort mit auf eine Zeitreise in die Geschichte des Handwerks.

Dereinst wurden aber nicht nur die Lager geräumt, sondern auch Geld- und Leibesstrafen angeordnet. Dennoch hatten Bäcker einen besseren Stand als andere Handwerker. Sie zählten nämlich, genau wie Glasbläser, Blaudrucker, Schmiede und Wollweber, zu den "ehrlichen" Zünften. Als "unehrlich" wurden dagegen Schäfer, Müller, Totengräber, aber auch Polizei-, Amts- und Gerichtsdiener eingestuft. "Zurückzuführen ist das auf Voreingenommenheit und Aberglauben", sagt die Museumsmitarbeiterin. So galten alle Berufe, in denen es die Menschen mit Blut zu tun hatten als unrein - Fleischer ausgenommen. Müllern und Schäfern gegenüber war man misstrauisch, weil sie den ganzen Tag allein arbeiteten. Erst 1731 wurde durch das Reichsgesetz die Trennung in "ehrliche" und "unehrliche" Gewerke aufgehoben. Doch auch unter den angeblich ehrlichen Berufsgenossen gab es viele "schwarze Schafe". In einem Anfang des 18. Jahrhunderts erschienenen Lexikon kann man mehr über die Betrügereien lesen. Geschummelt wurde auch bei den tapferen Schneiderlein. Sie haben den vom Kunden mitgebrachten Stoff stets so dürftig vernäht, dass sie selbst genügend Material übrig behielten. Für das Futter sei dann meist "ganz billige Ware verwendet worden", sagt Barbara Hoffmann. Auch die angeblich ehrlichen Weber lieferten oft unsaubere Produkte, weil sie mitunter nur die Außenkanten ordentlich verarbeiteten. Von den Zünften eingesetzte Schaumeister besuchten deshalb immer häufiger unangemeldet die Werkstätten und deckten Betrügereien auf.

Ungefähr ein halbes Jahr lang haben die Mitarbeiter des Handwerkermuseums die neue Ausstellung vorbereitet. Mehr als 500 Exponate wurden zusammengetragen. Vor allem Arbeitsgeräte sind zu sehen: Backformen und Glasmacherutensilien, eine Blaudruckerwerkstatt, eine Schmiede sowie ein historischer Webstuhl. Zu den ältesten Stücken gehört ein Schlüssel aus dem 13. Jahrhundert. Zu den ungewöhnlichen eine über 200 Jahre alte Schandmaske. Mit dem eisernen Gesichtsschutz wurden Vergehen wie Ehebruch oder Beleidigungen bestraft.

"Man bekam sie vom Henker aufgesetzt und musste damit einen Tag herumlaufen", sagt Museumsmitarbeiter Jan Mende. Die Missetäter seien angespuckt und verspottet worden. Zu den sanfteren Henkerswerkzeugen zählt der "Spanische Mantel", ein Holzbottich, der über den Kopf gestülpt wurde. Für Barbara Hoffmann ist der Bereich der interessanteste. Sie lächelt. "Manchmal wünsche ich, dass es die Schandmaske heute noch gibt."

Steffi Bey

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