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Berlin: Ein Amtsbonus ist unbezahlbar

Das gilt nicht allein für den Regierenden Bürgermeister – auch andere Spitzenkandidaten können besondere Strukturen nutzen

Sie starten unter den verschiedensten Voraussetzungen in den Wahlkampf. Der eine Spitzenkandidat sitzt regelmäßig bei Sabine Christiansen, allerdings als Regierender Bürgermeister von Berlin. Der andere sitzt regelmäßig bei Frau Merkel, allerdings als parlamentarischer Staatssekretär der Bundesregierung. Man kann darin ungerechte Voraussetzungen für den Wahlkampf sehen. Aber so ist das eben in einer Parteiendemokratie.

KLAUS WOWEREIT (SPD)

Der Regierende hat wirklich alles, was er braucht, um einen Gewinn versprechenden Wahlkampf zu führen: Vorneweg das Amt, das bei einigermaßen guter Führung und starken Beliebtheitswerten einen Bonus verspricht. Ergänzt durch eine hohe Präsenz in Fernsehen, Hörfunk und Zeitungen. Das hat den Regierenden Bürgermeister so bekannt gemacht wie keinen anderen Landespolitiker. Nur zwei Prozent der Berliner haben keine Ahnung, wer Wowereit ist. Ein Amtsbonus zieht nur dann nicht, sagen Parteienforscher, wenn eine große Unzufriedenheit mit der Regierung in eine ausgeprägte Wechselstimmung umschlägt. Der gesamte Senatsapparat, vom Dienstwagen über das Presseamt bis zum Büro im Roten Rathaus, wird bis zum 17. September helfen, publikumswirksam und wählerfreundlich zu regieren. Fein säuberlich getrennt natürlich von der parteipolitischen Werbekampagne der SPD für ihren Spitzenkandidaten. Aber der Job eines Ministerpräsidenten ist systembedingt (Parteiendemokratie!) schwer zu trennen vom jeweiligen Parteibuch, obwohl Wowereit nicht einmal Landeschef der Sozialdemokraten ist. Üblicherweise machen Ministerpräsidenten sogar in fremden Bundesländern Wahlkampf für ihre Parteien. Warum dann nicht für sich selbst – und im eigenen Land? Diesen Vorteil wird Klaus Wowereit gegen die Konkurrenten in der Opposition voll ausspielen.

Außerdem ist damit zu rechnen, dass die durchaus finanzkräftige Berliner SPD im Wahlkampf nicht kleckern, sondern klotzen wird und die Kampagne auf ihren Spitzenmann zuschneidet. Die Homepage wird ordentlich aufgepeppt. Eine Wowereit-Tour durch alle zwölf Bezirke ist in Vorbereitung. Ein Plüschbär im Fußballdress (Aufschrift: „Wowi 06“) wird auf den Markt geworfen, Autogrammkarten werden in großen Mengen gedruckt. In den letzten zwei Wochen vor der Wahl wird die Landes-SPD Großplakate aufstellen mit dem Porträt eines bekannten Regierenden Bürgermeisters. Und auf den Faltblättern sämtlicher SPD-Kandidaten fürs Abgeordnetenhaus ist jeweils auch ein Foto Wowereits samt passendem Werbetext zu finden. Im Kampf um die Wähler, die immer unberechenbarer werden, ist ein gewisser Personenkult offenbar unvermeidlich geworden.

HARALD WOLF (PDS)

Als Wirtschaftssenator hat er einen großen Behördenapparat hinter sich. Als Spitzenkandidat der Linkspartei/PDS kann Harald Wolf darauf aber nicht direkt zurückgreifen. Dürfte er auch nicht, sagt sein Sprecher Christoph Lang. Im Wahlkampf kann die Verwaltung nach einem Spruch des Bundesverfassungsgerichts nicht eingesetzt werden. Auch sei es dem Senator verboten, mit den Mitteln seiner Behörde „übertriebene Kampagnen“ zu veranstalten, auf denen er die Leistungen der Regierung oder seiner Verwaltung darstellt, um damit im Wahlkampf punkten zu wollen.

Im Alltag ist die vorgeschriebene Trennung zwischen Amt und Kandidatur jedoch nur schwer einzuhalten: „Ein Senator ist immer im Dienst“, sagt Wolfs Sprecher. Das heißt, das normale Amtsgeschäft und Termine mit Bezug zur Wahl vermischen sich zwangsläufig. Je näher der 17. September rückt, desto mehr Platz dürfte in Wolfs Kalender der Wahlkampf einnehmen, sagt Lang. Gleichzeitig müsse er immer als Senator zur Verfügung stehen, wenn es das Amt erfordert. Unterm Strich wird das vor allem viel zusätzliche Arbeit für Harald Wolf bedeuten, sagt sein Sprecher: Wenn der Kandidat sich mal einen Nachmittag lang in seinem Lichtenberger Wahlkreis umschaut, „dann hat er bereits an diversen Wochenenden als Senator vorgearbeitet“.

Praktische Unterstützung bekommt Harald Wolf in seinem Wahlkampf nicht nur von der PDS und ihrem Wahlkampfteam. Er hat im Wahlkreis auch noch einen Stab von zwei bis drei Vollzeit-Helfern sowie zwei Dutzend Ehrenamtliche an seiner Seite, sagt der Sprecher des Senators. Wenn Wolf für den Wahlkampf quer durch die Stadt fährt, dann tut er das zwar oft mit dem Dienstwagen, der ihm als Wirtschaftssenator zusteht – für solche Fahrten, die als private Nutzung des Autos gelten, zahlt er aber eine Pauschale ans Land, sagt Lang.

FRIEDBERT PFLÜGER (CDU)

Seine Situation ist die unübersichtlichste: Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium verfügt dort über ein Büro mit mehreren Mitarbeitern sowie einem Audi A 8 samt Fahrer. Außerdem ist er Bundestagsabgeordneter, hat also auch als solcher ein Büro. Und schließlich verfügt er über die CDU-Landesgeschäftsstelle. Weil drei Apparate und ein schönes Auto zu Missverständnissen oder gar Unterstellungen Anlass geben könnten, hat Pflüger gleich zu Beginn die Verhältnisse geregelt. Nach Absprache mit seinem Kollegen im Verteidigungsministerium wurde die Arbeit so aufgeteilt, dass Pflüger seinen Job machen und die Kandidatur ausfüllen kann. Er hat laut seinem Sprecher Sascha Steuer die Auslandseinsätze der Bundeswehr mit vorzubereiten und die Bundesregierung im Verteidigungsausschuss zu vertreten. Kritik an der Art, wie er seinen Job macht, war im Bundestag bislang nicht zu vernehmen. Allerdings haben sich, als die große Koalition die Arbeit aufnahm, einige Beobachter gefragt, ob die Regierung derart viele Staatssekretäre beschäftigen müsse.

Pflüger jedenfalls hat seinen persönlichen Referenten aus dem Ministerium freistellen lassen. Nun bezahlt ihn die Berliner CDU. Steuer, nicht allein Pflügers Sprecher, sondern auch Abgeordneter, macht den erst genannten Job ehrenamtlich. Für das Auto zahlt Pflüger laut Steuer eine vierstellige Pauschale pro Monat und kann es deshalb auch in seiner Eigenschaft als Kandidat benutzen. Anders gesagt: Gerade weil der CDU-Vormann weiß, dass die Konkurrenz bei ihm besonders genau hinsieht, darf er sich keine Verwicklungen oder Unsauberkeiten leisten.

FRANZISKA EICHSTÄDT-BOHLIG

(DIE GRÜNEN)

Sie hat keinen Amtsbonus, keinen Dienstwagen und keinen solchen Bekanntheitsgrad wie Klaus Wowereit. Aber Wahlkampfmanagerin Kirsten Böttner will ihre Spitzenkandidatin „nach vorne“ bringen. Das Konzept lautet: direkte Kommunikation. Eichstädt-Bohlig setzt auf den Kontakt mit den Wählern. Der Wahlkampf beginnt erst richtig in der zweiten Augusthälfte, deshalb hat die 64-jährige Grünen-Politikerin keinen Zeitdruck: Sie fährt mit dem Fahrrad oder S- und U-Bahn zu den Terminen. Das wird gegen Ende des Wahlkampfes nicht mehr möglich sein: Ihr Wahlkampfteam, das neben grünen Bezirksvertretern aus 15 jungen Helfern, der Wahlkampfmanagerin Kirsten Böttner und dem Pressesprecher besteht, will ihr ein Auto organisieren. Die Stadtplanerin und Architektin war von 1994 bis 2005 für die Grünen im Bundestag. Sie erhält nach eigenen Angaben ein Übergangsgeld von rund 5000 Euro monatlich. Im Wahlkampfetat von 450 000 Euro ist kein eigenes Budget für sie vorgesehen. 12 500 Plakate werden die Grünen in der Stadt kleben, 5000 mit dem Konterfei von Eichstädt-Bohlig. Personenkult um Franziska Eichstädt-Bohlig wollen die Grünen nicht veranstalten. Es gebe neben der Kandidatin auch „anderes gutes Personal“, heißt es.

MARTIN LINDNER (FDP )

Der Fraktionschef steht im Ruf, der eigentliche Oppositionsführer und der Wowereit-Schreck des Abgeordnetenhauses zu sein. Nur auf den allerersten Blick ist seine Lage als Wahlkämpfer mit der von Wowereit vergleichbar: Wie der Regierende kann auch der Fraktionschef einen ihm von Amts wegen zustehenden Apparat parteipolitisch nutzen. Wenn Lindner bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer auftritt, kann die Einladung an den Fraktionschef wie an den Spitzenkandidaten gegangen sein. Davon abgesehen halten die Liberalen ihren Frontmann kurz. Gewiss werde Lindner auf mehr Plakaten zu sehen sein als die anderen FDP-Kandidaten, sagt Landesgeschäftsführer Horst Krumpen. Doch weiter soll der Personenkult nicht gehen. Extra-Mitarbeiter hat Lindner auch nicht. Fein sauber muss der FDP–Kandidat notieren, welche Strecken er mit der Fraktionslimousine als Fraktionschef zurücklegt und welche als Spitzenkandidat. FDP-Politiker verstehen sich ja als Anwälte der Steuerzahler. za, lvt, wvb, sib

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