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Berlin: Ein Atelierhaus wird zum Streitfall

Seit 18 Jahren lebt der Maler Kani Alavi am Checkpoint Charlie - jetzt soll er weg

Noch sind die Tische und Regale mit Farbtöpfen und Pinseln vollgeräumt. Seine Bücher stapelt der Maler Kani Alavi dagegen lieber auf dem Boden. Und überall in seinem Wohnatelier über dem Café Adler am Checkpoint Charlie stehen Bilder an den Wänden. Hunderte.

Ende Mai aber läuft die Frist ab. Bis dahin muss Kani Alavi das Atelier geräumt haben. Seit mehr als einem Jahr streitet er sich mit dem Eigentümer um die Zukunft des Atelierhauses Friedrichstraße 206, das 1987 für rund 4,6 Millionen DM vom Land Berlin saniert wurde. Damals galt das Haus als Pilotprojekt: Hier sollten Künstler zu günstigen Mieten wohnen und arbeiten können. Doch inzwischen ist Kani Alavi dort einer der letzten Künstler. An diesem Wochenende sammelt er in seinem Atelier Unterschriften gegen den drohenden Rausschmiss.

Bekannt wurde Alavi durch seine Initiative zur Rettung der East Side Gallery. Sein eigenes Bild dort zeigt Menschen, die durch die offene Mauer strömen. Als er vor 18 Jahren in das Künstlerhaus zog, habe niemand in der Gegend wohnen wollen, sagt Alavi. Träger des Hauses wurde nach der Sanierung der Berufsverband Bildender Künstler (BBK). 1996 übertrug dieser das Haus an seine Atelier und Verwaltungs GmbH, der der heutige Vermieter, Thomas Brinkmann, vorstand.

Seit 2002 ist aber nicht mehr die GmbH, sondern Brinkmann selbst als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Wie das passieren konnte, bleibt für die kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Alice Ströver, ein Rätsel. Zwei Kleine Anfragen an den Senat brachten ihr keine befriedigende Antwort. Thomas Brinkmann möchte sich weder dazu äußern, noch zu seinem Mieter Alavi. Nur so viel sagt er: „Die Friedrichstraße 206 wird ein Haus mit Kulturschwerpunkt bleiben.“ Dort sollen Künstler arbeiten, es soll Wohnungen geben. Aber maßgeblich für die Höhe der Miete werde der Mietspiegel, sagt Brinkmann. „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht.“

Die Immobilien wurde Mitte der 90er nicht nur dem BBK zu teuer. „Alle Künstlerorganisationen haben sich von ihren Künstlerhäusern getrennt“, berichtet Berlins Atelierbeauftragter Florian Schöttle. „Wir arbeiten jetzt mit professionellen Immobilienfirmen zusammen.“ 2004 wäre das Senatsprogramm zur Atelierförderung fast gestrichen worden. Unterschiedliche Träger, darunter der BBK, unterhalten in Berlin rund 1400 Ateliers und Atelierwohnungen, ganz oder teilgefördert aus öffentlichen Mitteln.

Im Haus Friedrichstraße 206 sieht Florian Schöttle zumindest den jüngsten Streit im Sinne der Mieter entschieden. Ende 2003 kündigte Brinkmann den Künstlern. Die Räumungsklagen wurden inzwischen abgewiesen: Die Künstler hatten keine leicht kündbaren Gewerbemietverträge abgeschlossen, sondern Wohnmietverträge – und diese sind vorerst nicht kündbar. Kani Alavi wird sich wohl dennoch ein neues Atelier suchen müssen, glaubt Florian Schöttle, der in dem Konflikt zwischen Brinkmann und den Künstlern vermittelt hatte. Inzwischen flatterte dem Maler die fristlose Kündigung ins Haus: wegen Mietrückstands und Beleidigung. Er hatte wegen Baumängeln die Miete gemindert – im Einverständnis mit Brinkmann, so sagt er. Von dem fühlte sich Alavi provoziert. „Ich muss mich nicht zurückhalten. Ich habe 18 Jahre in diesem Haus gelebt.“ Er sieht sich als vertrieben an: Weil er der Unbequemste hier sei.

Christian Böhm

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