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Berlin: Ein Gegenkandidat für Strieder wird gesucht

Die Diskussionen um den Parteichef der Berliner SPD werden lauter. Und die Zweifel mehren sich, ob er noch der richtige für das Spitzenamt ist

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Peter Strieder soll bei einem Glas Wein gesagt haben, wie er sich die Arbeit von Unternehmensberatern in seiner Verwaltung vorstellt: „Die sagen mir nicht nur, wie viele Leute erschossen werden müssen, sie schreiben auch die Namen auf die Kugeln.“ Der Senator bestreitet das Zitat, dass in einem „Spiegel“-Bericht zu finden ist. Außerdem sei der Personalabbau, um den es hier gehe, seit zwei Jahren abgeschlossen, stellte seine Sprecherin Petra Reetz klar.

Parteifreunde, die Strieder gut kennen, glauben auch nicht, dass er sich mit Beratern gebrüstet hätte. „Der hält sich doch selbst für den größten Macker.“ Trotzdem soll Finanzsenator Thilo Sarrazin gestern ein wenig beleidigt gewesen sein. Solche Sprüche seien doch seine Sache. Der Personalrat in der Stadtentwicklungsbehörde kannte keinen Spaß. Er warf Strieder eine „menschenverachtende Grundhaltung“ vor. Der Senator müsse sich vor dem Parlament entschuldigen, forderten CDU und Grüne. Sie haben den SPD-Mann schon länger auf dem Kieker.

Denn es gehört zum Handwerkszeug jeder Opposition, den Chef der Regierungspartei ständig unter Druck zu setzen. Zudem findet Strieder regelmäßig einen neuen Fettnapf, in den es sich zu treten lohnt. Zurzeit knabbert ein Ermittlungsverfahren an seinem Ego. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob er den Kulturveranstalter „Tempodrom“ mit unlauteren Mitteln finanziell unterstützen wollte. Kurzum: Das öffentliche Erscheinungsbild, dass der SPD-Landesvorsitzende liefert, lässt zu wünschen übrig. Das meint nicht zuletzt die eigene Partei.

Die Genossen diskutieren deshalb nicht nur über die Frage, wie sozialdemokratisch die SPD – angesichts der Reformen auf Bundesebene und der Sparpolitik in Berlin – noch ist. Sie diskutieren auch darüber, ob Strieder in dieser unkomfortablen Lage noch der richtige Parteichef ist. Die organisierte SPD-Linke hat den Vize-Landesvorsitzenden Andreas Matthae schon gefragt, ob er nicht kandidieren wolle. Aber Matthae mag nicht gegen Strieder antreten. Nun trifft sich die junge Parteilinke am Donnerstag mit dem altlinken „Donnerstagskreis“, um auszuloten, ob deren Sprecher Hans-Georg Lorenz dem ungeliebten Strieder Paroli bieten will.

„Ich habe mich noch nicht entschieden“, sagte der Spandauer Rechtsanwalt und Abgeordnete dem Tagesspiegel. Wenn sich ein anderer finde, verzichte er gern auf eine Kandidatur. „Mir kommt es nur darauf an, dass Strieder nicht Landesvorsitzender bleibt.“ Im Juli wird neu gewählt. „Wenn Strieder es noch zwei Jahre macht, wird er die Partei zugrunde richten“, urteilt Lorenz. Der altgediente Sozialdemokrat gilt vielen Parteifreunden als Sonderling; aber er gibt die Stimmung an der Basis zutreffend wieder.

In den Führungsgremien der SPD klingelt längst das Alarmglöckchen. Ein schlechtes Wahlergebnis für Strieder bei der Vorstandswahl im Sommer werde der gesamten Partei schaden. So etwas sagen nicht zuletzt die, die keine Alternative zu Strieder sehen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit beispielsweise, dem die Vorstellung, selbst SPD-Landeschef werden zu müssen, schlaflose Nächte bereitet. Ähnlich geht es dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Müller. Der soll gesagt haben, er wolle sich den Landesvorsitz nur antun, wenn er gleichzeitig Senator, aber nicht Fraktionschef sei.

Also: Die Lage bleibt vorerst undurchsichtig. „Ich weiß nicht, was bis zum Parteitag alles passiert“, sagt Matthae. Noch konzentriert sich die interne Debatte auf die Stellvertreter- und Beisitzerposten in der künftigen SPD-Landesführung. Die Linke rechnet sich gute Chancen aus, stärker zu werden. Und Strieder, der momentan genervt und müde wirkt? Vielleicht finde er ja doch noch einen Job in der privaten Wirtschaft, munkelt man in der Partei.

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