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Berlin: „Ein großer Vorteil für die Kliniken“

Ulf Fink, Vorsitzender von Gesundheitsstadt Berlin e.V., über die Aussagekraft von Qualitätsdaten und über die Kooperation mit dem Tagesspiegel

Herr Fink, bei Gesundheitsstadt Berlin e.V. laufen die Fäden des Gesundheitssektors in Berlin zusammen. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Klinikführer gemacht?

Ich freue mich sehr über die Kooperation zwischen dem Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin e.V., wir haben damit ein in ganz Deutschland beachtetes Zeichen gesetzt: Es ist tatsächlich möglich, die Qualität von medizinischer Versorgung transparent zu machen. Ich bin der Meinung, dass die Patienten einen Anspruch darauf haben zu erfahren, mit welchem Leiden sie wo am besten aufgehoben sind. Es gibt zwar noch ein paar methodische Probleme. Aber die Art und Weise, wie die Daten hier zum ersten Mal für Berlin im Klinikführer von Gesundheitsstadt und Tagesspiegel aufbereitet und veröffentlicht wurden, ist sehr verantwortungsvoll. Die Krankenhäuser, mit denen ich gesprochen habe, sagen alle, dass es richtig war, sich daran zu beteiligen. Also wird es weitergehen.

War die Kooperation zwischen Gesundheitsstadt und Tagesspiegel für den Klinikführer in Ihrem Verein umstritten?

Durchaus, die Charité, die sich als einzige Klinik nicht beteiligt hat, sitzt ja in unserem Vorstand. Ursprünglich hatte ich den Eindruck, dass die Charité bereit sei, mitzumachen. Nun hoffe ich, dass sie beim nächsten Mal dabei sein wird.

Gegen die Veröffentlichung der Daten zur Behandlungsqualität wurde unter anderem vorgebracht, sie seien für Patienten nur schwer richtig zu verstehen.

Wir können sehr froh sein, dass es solche Daten überhaupt gibt. Dafür hat der Gesetzgeber gesorgt. Es ist ein Beitrag, die Qualität der Häuser zu verbessern, weil sie verglichen werden können. Selbstverständlich stellen die Daten auch in der aufbereiteten Form eine hohe Anforderung an den Leser, aber man kann nicht den mündigen Patienten fordern und ihn dann mit dem Argument entmündigen, er könne die Daten nicht richtig lesen.

Die Daten erlauben einen bundesweiten Vergleich. Wo stehen Berlins Kliniken?

Die Krankenhäuser der Hauptstadt schneiden bundesweit sehr gut ab. Aber das gilt nicht für alle Häuser. Es zeigt sich auch, dass nicht unbedingt die größte Klinik auch die beste Leistung anbietet. Auch kleine, spezialisierte Häuser können sehr gut abschneiden.

Die Kliniken haben jetzt zum ersten Mal die Möglichkeit, zu erkennen, was sie im Vergleich zu anderen leisten. Wie können sie das zur Verbesserung der Qualität nutzen?

In den USA, aber auch in Frankreich und England, wo man schon sehr viel weiter ist mit der Transparenz als hierzulande, gibt es entsprechende Erfahrungen, von denen wir lernen können. Es sind oft ganz simple Methoden, wenn man erst einmal weiß, wo etwas nicht optimal läuft. Wenn man sich die Rankings anschaut, die es anderswo gibt, ist leicht zu sehen, wie sehr die Veröffentlichung von Qualitätsdaten im Laufe der Zeit die Qualität selbst verbessert.

Reichen die Qualitätsdaten, die die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) erhebt und die auch eine der Grundlagen für den Klinikvergleich waren, für ein echtes Ranking nach dem Motto „Berlins beste Kliniken“ aus?

Da müssten wohl noch andere Angaben hinzugezogen werden, zum Beispiel die Abrechnungsdaten der Kliniken gegenüber den Krankenkassen. Dabei müssen die Kliniken schon aus Eigeninteresse sehr genau angeben, ob es beispielsweise zu Komplikationen kam, die die Behandlung langwieriger und deshalb teurer machten.

Bis auf die Charité haben alle Berliner Kliniken der Veröffentlichung ihrer BQS-Daten zugestimmt. Welchen Stellenwert hat das für den Standort Berlin?

Das ist ein enormer Werbefaktor. Es gibt nichts Besseres, als wenn sich Kliniken bereit erklären, sich dem öffentlichen Vergleich zu stellen. Wir haben viele Anfragen von Botschaften, zum Beispiel aus arabischen Ländern, die gesagt haben: „Bitte gebt uns diese Daten, denn genau das brauchen wir, wenn wir Häuser empfehlen sollen.“ Bei den Berliner Häusern wissen sie es jetzt, bei den anderen wissen sie es nicht. Ein enormer Vorteil für den Gesundheitsstandort Berlin.

Welche Ziele hat der Verein Gesundheitsstadt Berlin für die nahe Zukunft?

Zu einer erstklassigen, wissenschaftsbasierten Gesundheitsversorgung beizutragen. Außerdem sind wir daran interessiert, dass Berlin seine gesundheitlichen Leistungen auch im Ausland anbietet. Warum exportieren wir nicht sehr viel mehr Medizintechnik?

Sie waren selbst von 1981 bis 1989 Berliner Gesundheitssenator. Wie wichtig sind die BQS-Daten auch für die Politik?

Ohne solche Qualitätsdaten ist eine vernünftige Planung nicht mehr zu machen. Durch mehr Quantität, also mehr Klinikbetten zum Beispiel, können wir mit anderen nicht konkurrieren. Also muss es die Qualität sein. Klasse statt Masse – das geht nur durch Qualitätsvergleich, am besten über einen jährlich aktualisierten Klinikführer, der dann auch noch mehr Krankheitsbilder und zusätzliche Daten enthält als der erste. So wurden im nun vorliegenden Klinikvergleich bis auf Brustkrebs die Tumorerkrankungen nicht untersucht, weil die dafür nötigen BQS-Qualitätsdaten noch nicht erhoben wurden. Auch Patientenbefragungen sollten in solchen Klinikführern berücksichtigt werden. Und genau das haben ja beide Kooperationspartner für den Berliner Klinikvergleich Gesundheitsstadt Berlin und Tagesspiegel auch vor.

Eine letzte Frage: Für wie wichtig erachten Sie den Charité-Standort Benjamin Franklin in Steglitz?

Eine Uniklinik wie die Charité ist immer am besten aufgestellt, wenn sie nicht über die ganze Stadt verteilt ist – doch derzeit besteht die Charité aus vier Hauptstandorten in Berlin. Deshalb erscheint mir eine stärkere Verdichtung, eine stärkere Konzentration, richtig zu sein.

Das Gespräch führten Ingo Bach und Lorenz Maroldt.

Ulf Fink, 63, war u.a. CDU-Gesundheitssenator in Berlin und danach Mitglied im Deutschen Bundestag. Seit 2003 ist er Vorstandsvorsitzender von „Gesundheitsstadt Berlin e. V.“.

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