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Der Regierende Bürgermeister von Berlin.

© dpa

Ein Jahr Regierender Bürgermeister in Berlin: Michael Müller kann nur über sich selbst stolpern

Seit der Wahl zum Regierenden Bürgermeister hat Michael Müller viel versprochen. Nach Ergebnissen muss man aber lange suchen. Er profitiert nur davon, dass die Rahmenbedingungen perfekt auf ihn zugeschnitten sind. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein Jahr im Amt. In dieser kurzen Zeit hat der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, sein Bestes gegeben. Er arbeitete hart, agierte machtbewusst und verfolgte unbeirrt seine politische Agenda. Viele Bürger mögen ihn, auch solche, die mit der Arbeit des Senats wenig zufrieden sind. Müller ist der Held der Berliner Sozialdemokraten, die erste Hochglanzbroschüre der SPD für den Wahlkampf 2016 ist fertig. „Wachstum menschlich gestalten – füreinander“, lautet der Titel.

Das hört sich gut an. Die Frage ist nur, ob und wie es Müller gelingen wird, den eigenen Anspruch und die Erwartung der Berliner an ihr volksverbundenes Stadtoberhaupt zu erfüllen. Seit der Wahl zum Regierenden Bürgermeister am 11. Dezember 2014 hat er viel versprochen: eine humane Flüchtlingspolitik, bezahlbaren Wohnraum für alle, eine leistungsfähige Verwaltung und milliardenschwere Investitionen in die zerbröselnde öffentliche Infrastruktur. Natürlich ist das nicht in einem Jahr zu schaffen, aber positive Ansätze sollten allmählich erkennbar werden. Leider muss man danach mit der Lupe suchen.

In der Generaldebatte des Abgeordnetenhauses zum Haushalt verteidigte sich Müller am Donnerstag mit dem wohlfeilen Argument, dass nicht alles von heute auf morgen gehe. Trotzdem wäre es schön, wenn die heillos zerrüttete rot- schwarze Regierung das rapide Wachstum und den stürmischen Wandel der Stadt etwas dynamischer begleiten könnte. Wenigstens die Bürgerämter sollten funktionieren, der Flughafen BER eröffnet werden und die Schultoiletten nicht so eklig sein.

Hauruck-Methoden

Aber noch profitiert Berlins Regierungschef vom Vertrauensvorschuss der Wähler, die den Amtsvorgänger Klaus Wowereit gar nicht vermissen. In einer Stadt, die täglich enger, rustikaler und teurer wird, wächst naturgemäß das Bedürfnis nach innerem Frieden und sozialem Zusammenhalt. Dafür steht Müller, keine Frage. Dass sich sein Senat nur noch mühsam über den Tag schleppt, kreiden ihm die Berliner jedenfalls nicht an. Aber er sollte sich nicht darauf verlassen, dass dies so bleibt.

Schon jetzt ist der Regierende damit beschäftigt, drohendes Unheil abzuwehren, damit es nicht über ihn hereinbricht. Er verteilt systematisch Schuldzuweisungen, mal an den Koalitionspartner CDU, mal an die Bezirksbehörden, mal an den Bund. Die anderen können nicht, die anderen wollen nicht, die anderen sind schuld, ist seine Devise. Entsprechend kaltschnäuzig räumte er mit öffentlichem Machtwort den Lageso-Chef weg. In der Sache war das richtig, aber politisch fragwürdig, und ob solche Hauruck-Methoden helfen, dass sich die Lage der Flüchtlinge verbessert, sei dahingestellt.

Müller kann so agieren, weil die politischen Rahmenbedingungen in Berlin fast perfekt auf ihn zugeschnitten sind. Die Christdemokraten sind so schwach, dass sie auf Frontalangriffe gegen ihre Senatoren nicht mehr schlagkräftig reagieren können. Grüne und Linke haben sich schon in der Opposition domestizieren lassen, denn sie wollen nach der Wahl im September 2016 unbedingt mit der SPD regieren. Außerdem stimmen die Finanzen, Berlin schwimmt im Geld, was den Gestaltungsspielraum für ein linkes Bündnis in der Hauptstadt ideal erweitert. Müller kann guter Dinge in den Wahlkampf ziehen, der im Januar beginnt. Wenn er stolpern sollte, dann über sich selbst.

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