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Ein Kanadier in Berlin: Job ja, Arbeitsgenehmigung nein

Vor zehn Jahren wurde die erste Greencard für Hochqualifizierte vergeben. Ein kanadisch-deutsches Paar hat davon nicht viel: Trotz Top-Qualifizierung und Stelle darf Patrick Beaudette in Berlin nicht arbeiten - er verdient zu wenig.

Berlin – Der kanadische Biochemiker Patrick Beaudette und seine deutsche Freundin Josefine Maier erwarten ein Kind. Um bei seiner Freundin zu sein, suchte sich der 30-jährige einen Job in Berlin. Den Job bekam er – die Arbeitsgenehmigung nicht: „Nach meinem Uniabschluss dachte ich, ich könnte einfach hinaus, in die freie Welt.“ Konnte er nicht, obwohl für Hochqualifizierte in der Bundesrepublik ein erleichtertes Aufenthaltsrecht gilt. Vor zehn Jahren wurde die erste deutsche Greencard vergeben, weil Fachkräfte fehlten. Nach Auslaufen der Greencard wurde 2005 die Migration Hochqualifizierter im Zuwanderungsgesetz geregelt. Darunter fallen unter anderen Wissenschaftler mit besonderen Fachkenntnissen wie Patrick Beaudette. Dennoch darf er nicht arbeiten. Am 1. Mai sollte der Biochemiker seine neue Stelle antreten. Sein potenzieller Arbeitgeber, Imre Molnár, Leiter des privaten Instituts für angewandte Chromatografie, welches Software für Pharmafirmen entwickelt, kann die Entscheidung nicht verstehen: „Wir wollen doch qualifizierte Einwanderer. Als Arbeitgeber bin ich auf gut ausgebildete Fachkräfte mit sehr guten Englisch- kenntnissen angewiesen, und dann legt man ihnen Steine in den Weg.“

Der Arbeitsbeginn am Institut ist lange verstrichen. Die Ausländerbehörde wollte Beaudette über die Entscheidung seines Antrags informieren, hieß es. Seit April wartete er darauf. Auch seine Besuche bei der Behörde brachten kein Ergebnis. Es gab kein persönliches Gespräch oder Treffen. „Man steht da auf einem Flur zwischen Tür und Angel, und ein Mitarbeiter sagt, dass Patrick abgelehnt wurde. Warum, konnte er uns nicht sagen“, erzählt Medizinstudentin Josefine Maier. Sie lernte Beaudette auf einer Konferenz kennen und lebte mit ihm in Kanada. Um sich auf ihr Examen vorzubereiten, kehrte sie Anfang dieses Jahres nach Deutschland zurück. Beaudette folgte ihr. Bei der Ausländerbehörde platzten seine Zukunftsträume vorerst: „Ich war am Boden zerstört und schockiert. Ich bin hergekommen, um mich um meine Familie zu kümmern. Auf einmal brach alles weg.“ Institutsleiter Molnár erhielt eine Begründung erst nach langer Nachfrage: Der Biochemiker verdiene bei ihm zu wenig: Das Gehaltsminimum liege bei 3655 Euro. Molnár versteht die Begründung nicht. „Ich kann ihm anfangs kein volles Gehalt zahlen. Wir arbeiten auf einem sehr speziellen Wissenschaftsgebiet, Patrick muss erst eingearbeitet, mit den Abläufen vertraut werden.“ Molnárs Angebot: Er zahlt Beaudette zunächst 1500 Euro, im nächsten Jahr soll das Gehalt auf 3000 Euro steigen. Ein Angebot, dass der Biochemiker gerne annehmen möchte. „Warum erhebt man sich als Richter über das Gehalt, das ich zahle?“, fragt Molnár. Verärgert ist er auch darüber, dass weder das Arbeitsamt noch die Ausländerbehörde das Gespräch mit ihm gesucht haben. Mit einer Gehaltsbestimmung wolle man Menschen vor Unterbezahlung schützen, heißt es beim Arbeitsamt auf Nachfrage des Tagesspiegels.

Der migrationspolitische Sprecher der Berliner CDU, Burkard Dregger, formuliert es deutlicher. „Allgemein haben wir Interesse an qualifizierter Zuwanderung, nicht an Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem“, sagt er. Jemandem zur Last fallen, genau dies will Beaudette nicht. Gleichwohl nimmt der Fall eine positive Wendung. Die Ausländerbehörde ließ die werdenden Eltern wissen, dass Beaudette Anrecht auf eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis habe, da er ja Vater eines deutschen Kindes werde. Zufrieden ist der Kanadier mit dieser Lösung aber nicht. „Was wäre, wenn wir kein Baby erwarten würden“, fragt auch die 25-Jährige Josefine Maier. Heiraten oder Kinder bekommen für eine Aufenthaltsgenehmigung – das ist für die angehende Ärztin keine moderne Migrationspolitik „Wenn wir uns als Einwanderungsland verstehen, müssen wir flexibler sein, um mit anderen Ländern mithalten zu können“, sagt Bilkay Öney (SPD). „Ich finde es einerseits gut, dass man darauf achtet, dass keine sittenwidrigen Löhne gezahlt werden. Andererseits verschrecken wir durch diese Hürden hoch qualifizierte Menschen.“ Und davon gibt es nur wenige: Im Jahr 2009 sind nach Angaben des Ausländerzentralregisters lediglich neun hoch qualifizierte Ausländer nach Berlin eingereist.

Beaudettes Antrag wird derzeit erneut geprüft, die Entscheidung erwartet er mit der Geburt des Sohnes – im September. Durch die Vaterschaft ist ihm die Arbeitserlaubnis wohl sicher, die Qualifizierung rückt aber in den Hintergrund. Ein bitterer Beigeschmack für ihn. „Ich mag Berlin, aber ich fühle mich, als dürfte ich nicht hier sein.“

Alina Stiegler

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