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Berlin: Ein Ort der Fantasie

Bürger der Kleinstadt Klütz sind davon überzeugt, dass Uwe Johnson über ihre Stadt geschrieben hat

Klütz - Im Reigen der zahlreichen deutschen Dichterstätten und -museen fällt das Uwe-Johnson-Literaturhaus erheblich aus dem Rahmen. Denn hier finden die Besucher weder einen originalen Schreibtisch noch eine gut bestückte Bibliothek des Namengebers. Nicht einmal einen inspirierenden Blick des Schriftstellers aufs Meer oder in den Garten können die Gäste hier nachvollziehen. Es ist nicht einmal sicher, ob der auf zwei Etagen vorgestellte Künstler jemals einen Fuß in den kleinen Ort gesetzt hat.

Doch trotz dieser Tatsache ließen sich die Klützer nicht von ihrem Plan abbringen und eröffneten vor zwei Jahren in einem ehemaligen Getreidespeicher das erste Uwe-Johnson-Literaturhaus. Der Förderverein des Hauses veranstaltet auch regelmäßig literarische Spaziergänge durch die Stadt. Denn: „Für uns besteht kein Zweifel, dass der Schriftsteller unsere Kleinstadt in seinen Werken verewigte“, sagt die studierte Germanistin Anja Franziska Scharsich, die Chefin des Hauses, und lächelt über skeptische Fragen, warum sich ausgerechnet die kleine Stadt in der Nähe des bekannten Ostseebades Boltenhagen so für Johnson ins Zeug legt.

Der 1984 im Alter von 49 Jahren in seinem Haus auf einer englischen Kanalinsel gestorbene Autor verbrachte nur ein Jahrzehnt in Mecklenburg. Ost- und Westberlin, New York und England nehmen in seiner Biographie einen viel größeren Platz ein. Vor allem der vierbändige Roman „Jahrestage“ jedoch dient der Johnson-Gemeinde als Beweis für ihre „Klütz-Manie“: Bei dem von Johnson erfundenen Jerichow könne es sich nur um ihre Kleinstadt handeln, sagt Anja Franziska Scharsich, und zitiert: „Jerichow zu Anfang der dreißiger Jahre war eine der kleinsten Städte in Mecklenburg-Schwerin, ein Marktort mit zweitausendeinhunderteinundfünfzig Einwohnern, einwärts der Ostsee zwischen Lübeck und Wismar gelegen, ein Nest aus niedrigen Ziegelbauten entlang einer Straße aus Kopfsteinen, ausgespannt mit einem zweistöckigen Rathaus und einer Kirche aus der romanischen Zeit ...“. Auch das am Rande von Klütz gelegene Schloss Bothmer und der heute stillgelegte Bahnhof passten zu den Beschreibungen im Hauptwerk, in dem er die in New York lebende Gesine Cresspahl die Geschichte ihrer Familie in Mecklenburg erzählen lässt.

In der Ausstellung kann über die Mutmaßungen trefflich diskutiert werden. Viel spannender aber sind die Textauszüge, die Zeitungsbeiträge oder die Fotos über das Leben des Autors. Darüberhinaus hat die Schau auch an die Kinder der Besucher gedacht, die sich im Getreidespeicher wunderbar beschäftigen können – im Unterschied zu den meisten anderen Literaturhäusern. Ste.

Der nächste literarische Spaziergang durch Klütz findet am 24. Mai statt. Treffpunkt: Literaturhaus „Uwe Johnson“, Dauer circa 1,5 Stunden, Eintritt: 5 Euro. Weiteres im Internet: www.literaturhaus-uwe-johnson.de.

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