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Berlin: Ein Panzer auf der Judomatte

Uta Kühnen lässt sich auf dem Weg zu Olympia nicht beirren, obwohl sie viele Widerstände zu überwinden hat

Es war ein ganz besonderer Erfolg für Uta Kühnen. Ein Sieg bei einem großen Judoturnier, der hohe Freudensprünge gerechtfertigt hätte. Doch die Judo-Kämpferin vom SC Berlin verzichtete in Rom ganz bewusst auf jeden Gefühlsausbruch. Im Finale der Klasse bis 78 Kilogramm hatte sie Jenny Karl aus Rüsselsheim bezwungen, und mit der EM-Dritten hatte sie schließlich eine Vereinbarung. „Wer von uns beiden die besten Chancen auf ein Olympiaticket hat, wird letztlich von der anderen neidlos unterstützt“, erzählt Kühnen. So lagen beide Kämpferinnen in Rom für ein paar Sekunden reglos auf der Matte – die eine erschöpft und glücklich, die andere ebenso am Ende ihrer Kräfte, aber tieftraurig. Später umarmten sie sich noch kurz, das war’s. Einen Zickenstreit soll es auf keinen Fall geben.

Uta Kühnen ist nun erste Wahl, wenn im Limit der Halbschwergewichtlerinnen die Olympiastarterin benannt wird. Wenn alles so kommt, „dann wird Jenny zur Europameisterschaft fahren, ich helfe ihr, so gut ich kann“, sagt Uta Kühnen. „Anschließend setzt sie sich für mich ein, dass ich in Athen gut abschneiden kann.“ Nach Sydney, wo sie 2000 unplatziert blieb, wäre das für Kühnen die zweite Chance. Zugleich auch die letzte, denn nach dieser Saison wird sie sich vom Leistungssport verabschieden – mit 28 Jahren. Das ist nicht alltäglich, erst die besonderen Umstände in ihrem Leben erklären diesen relativ frühen Ausstieg. Vor allem von 2002 an hatte sie mit Widrigkeiten zu kämpfen, die sie ungemein viel Kraft kosteten. Das noch länger auf sich zu nehmen, dazu hat Uta Kühnen nach Olympia keine Lust mehr.

Wäre es nach ihrem Mann Siegfried gegangen, mit dem sie seit zweieinhalb Jahren verheiratet ist, würde sie längst nur noch durch den Wald joggen. „Von Leistungssport und Kommerz hält er absolut nichts, wir hatten uns deswegen auch schon mal zwei Jahre getrennt“, erzählt sie. Sie sind wieder zusammen, aber die Diskussionen sind geblieben. Sein Prinzip: kein Pfennig für den Leistungssport. Mit dem eigenen Auto ins Trainingslager zu fahren, auch noch das Benzin selbst zu bezahlen, das führt privat bereits zu Diskussionen. Uta Kühnen erzählt, als würde sie das alles nicht sonderlich beeindrucken. Sie denkt im Moment ohnehin mehr in sportlichen Dimensionen: „Drei Tage in der Woche bin ich nur in Berlin, das wird bis Olympia so gehen.“ Ein wenig klingt das auch, als wäre sie froh darüber.

Wie es danach wird, das weiß sie heute schon. „Als ich 2000 wegen einer Herzmuskelentzündung ein Jahr lang pausieren musste, war ich zappelig ohne Ende“, erzählt Uta Kühnen. Dass sie nach dieser Zeit, in der sie kaum von Sessel zu Sessel laufen konnte, ohne außer Atem zu sein, wieder in die Weltspitze zurückkehrte, war letztlich ihr Hauptargument zum Weitermachen. „Ich wollte nach der harten Aufbauarbeit noch einmal Erfolg haben, nicht einfach alles hinwerfen.“

Uta Kühnen ist eine sehr ehrgeizige, intelligente Frau, aber auch „stur wie ein Panzer“, wie es Bundestrainer Norbert Littkopf ausdrückt. Sie lässt sich weder auf der Judomatte noch im Leben von ihren Zielen abbringen. In diesem Jahr möchte sie noch ihr TU-Studium als Lebensmittel-Ingenieurin abschließen. Die Vorbereitung auf Olympia, das Studium und fünf Bücher gleichzeitig lesen, das reicht ihr im Moment. Mit Sartre oder Camus setzt sie sich auseinander, und auch Essays über Gehirnforschung liest sie.

„Was wir von der Realität wahrnehmen, ist durch unser Gehirn bereits verarbeitet worden“, erklärt Uta Kühnen eine Theorie daraus. Auf sich bezogen soll das wohl heißen: Ich sehe meine Situation derzeit nur positiv.

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