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Berlin: Ein Räuber mit Manieren

Seine Firma warf nicht genug ab, da entschloss sich ein 48-Jähriger zum Bankraub. Gestern bekam er fünf Jahre Haft

Fahrlehrer Thomas F. wird nicht so schnell nervös. Die Nerven zu behalten, das habe er in seinem Beruf gelernt, sagte er gestern vor dem Landgericht. Vielleicht wollte er vermeiden, dass ihn die Richter für einen abgebrühten Ganoven halten. Diesen Eindruck nämlich hatte der 48-Jährige zumindest bei drei der vier Banküberfälle hinterlassen, die ihn auf die Anklagebank brachten. Zwischen Sommer 1995 und Mai dieses Jahres hatte er in Geldinstituten mit Bombenattrappen, Giftgas oder tödlichen Viren gedroht und insgesamt rund 16 000 Euro erbeutet.

Bis vor sieben Jahren führte Thomas F. ein tadelloses Leben. An manche Regeln hielt er sich auch als Bankräuber. „Ich habe mich immer angestellt“, berichtete der Angeklagte. Wenn er dann an der Reihe war, schob er beim ersten Mal einen Koffer mit verdächtigen Antennen, dann jedesmal einen prall gefüllten Briefumschlag und ein Schreiben über den Tresen, in dem er auf angebliche Sprengkapseln mit dem tödlichen Giftgas Sarin, dem Ebola-Virus oder – entsprechend der aktuellen Lage – mit Milzbranderregern aufmerksam machte und die Herausgabe von Geld forderte.

„Es waren aber immer Attrappen“, versicherte der grauhaarige Angeklagte. Im Koffer rollte nur eine Flasche Sprudel hin und her, in den Briefumschlägen befand sich rosafarbene Knetmasse oder Malerkrepp. Zum Teil ragten Drähte heraus. Das schüchterte ein. Bei seinem letzten Überfall aber traf er auf eine Kassiererin, die auch gelernt hatte, die Nerven zu behalten. Sie ließ sich trotz der Bombendrohung Zeit, sprach noch einen Kollegen an. „Es war klar, dass Alarm ausgelöst wird, das kennt man ja aus dem Fernsehen“, sagte der Angeklagte. „Wegen Blödheit abgebrochen“, fasste er vor Gericht diesen Raubzug zusammen.

Mit Leidensmiene berichtete Thomas F. über den Beginn seiner kriminellen Karriere. Er hatte bis zur Wende gut als Fahrlehrer verdient. Als das Geschäft dann immer schlechter lief, übernahm er die Hälfte eines Tierfutterladens. Das aber machte den Mann, der eigentlich Tierarzt werden wollte, arm. Als er von seiner Bank aufgefordert wurde, sofort rund 2000 Euro zu zahlen, trank er ein paar Schnäpschen und zog eine halbe Stunde später los. „Auch bei den anderen Überfällen war ich finanziell in Zugzwang“, meinte der Angeklagte. Das Leben als Bankräuber aber habe ihn herzkrank gemacht. „Wenn ich ein Polizeiauto sah, bekam ich jedesmal Schweißausbrüche.“ Geschnappt wurde der zuletzt arbeitslose und hoch verschuldete Fahrlehrer, der am Rande der Stadt ein Reihenhaus gemietet hatte, im Juni dieses Jahres. Eine Bewohnerin eines Hauses an der Reichsstraße in Charlottenburg hatte ihn im Keller entdeckt. Sie dachte an einen Dieb. Er aber war offenbar auf dem Weg zum fünften Banküberfall. „Auf der Straße kann man sich schlecht umziehen“, meinte der Angeklagte. Die Frau alarmierte die Polizei, Thomas F. wartete artig.

Die Beamten fanden bei ihm eine Spielzeugpistole und ein Schreiben, in dem er die Herausgabe von 200 000 Euro verlangte. Der Fahrlehrer machte reinen Tisch und berichtete von den Überfällen in Schöneberg, Neukölln und Charlottenburg. Die Richter verhängten gegen den Mann, der Kassiererinnen in Angst und Schrecken versetzt hatte, wegen räuberischer Erpressung fünf Jahre Haft.

Kerstin Gehrke

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