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Berlin: Ein Schicksalstag deutscher Geschichte: "Zeigen, dass wir nicht weggucken"

Ingrid Holzhüter (63) sitzt seit sechs Jahren für die SPD im Bundestag. Von 1985 bis 1994 gehörte Holzhüter dem Abgeordnetenhaus an.

Ingrid Holzhüter (63) sitzt seit sechs Jahren für die SPD im Bundestag. Von 1985 bis 1994 gehörte Holzhüter dem Abgeordnetenhaus an. Die Sozialdemokratin wird von Rechten bedroht, ihr Name steht auf einer "schwarzen Liste".

Wie lange schon werden Sie belästigt?

Seit ungefähr vier Jahren werde ich am Telefon beschimpft. Da wurde "rote Sau" gesagt, ich würde mich mit Kroppzeug abgeben, oder ich würde die Aufweichung der deutschen Nation betreiben. Es war nichts Originelles dabei.

Wie reagieren Sie darauf?

Ich habe Angst um meine Familie. Die Polizei hat mir einige Sicherheitsmaßnahmen empfohlen, zum Beispiel den Briefschlitz zuzumachen, damit niemand etwas durchstecken kann. Ich habe auch mit Nachbarn gesprochen, außerdem fährt die Polizei jede Stunde bei mir vorbei. Wenn ich Veranstaltungen besuche, setze ich mich möglichst so, dass ich die Wand im Rücken und die Tür im Blick habe. Ich muss mich auch bei der Fortbewegung in der Stadt vorsichtig verhalten. Und wenn ich mein Haus betreten, achte ich darauf, dass ich alleine reingehe, damit niemand erkennen kann, wer zu mir gehört. Zum Glück kann ich Judo und Karate. In meiner Wohnung kann ich mich am besten schützen.

Wie sind Sie ins Visier der Rechten geraten?

Ich hatte viel Ärger mit den "Republikanern" hier in Berlin. Immer wenn die mich sehen, heißt es, da kommt die Schlimmste. Bei einem Wahlkampf vor acht Jahren sind auch mal in einem Keller der "Republikaner" Wahlkampfständer von mir gefunden worden, die weggekommen waren. Ich habe mich eben immer für Ausländer eingesetzt und vor allem für die Belange der Frauen. Das passt den Rechten nicht. Ich bin keine typisch deutsche Frau, die sich auf Kinder, Kirche und Küche beschränkt.

Was erwarten Sie von der Demonstration am 9. November?

Die Demonstration muss der Welt zeigen, dass wir nicht weggucken. Dass nur ein ganz geringer Prozentsatz des deutschen Volkes mit dem Rechtsextremismus in Verbindung zu bringen ist.

Aber rassistische Ressentiments sind weit verbreitet . .

Ja, aber viele Menschen plappern doch einfach was vor sich hin. Wenn jemand dicht an dicht neben einem Nachbarn wohnt, bei dem es stark nach Knoblauch riecht, dann fühlt man sich gestört und schimpft. Aber das ist noch keine Ausländerfeindlichkeit.

Beteiligen Sie sich an der Demonstration?

Ja. Wir haben zwar im Bundestag bis nachts um halb eins Plenartagung, diese wird jedoch für die Demonstration unterbrochen, damit alle Abgeordneten hingehen können. Es ist notwendig, dass möglichst viele an der Demonstration teilnehmen. Manchmal schäme ich mich, wenn ich sehe, wie viele heute den Schwanz einziehen, obwohl die Bedrohung durch die Rechtsextremisten noch längst nicht das Ausmaß erreicht hat wie in der Weimarer Republik.

Wie lange schon werden Sie belästigt?

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