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Berlin: Ein schöner Tag – auf den zweiten Blick

100 000 Besucher trotzten dem Regen und schauten sich das Parlament, KPM und Straßenfeste an

„Bitte hier anstellen“ stand auf dem Schild vor der Hüpfburg. Die Hüpfburg stand in der Niederkirchnerstraße vor dem Abgeordnetenhaus, aber stundenlang wollte hier kein Kind hüpfen oder sich gar anstellen. Es hüpften nur die Regentropfen. Wie der Tag der offenen Tür des Abgeordnetenhauses litten gestern fast alle Feste und „offene Türen“ unter der Aprillaune des Wetters. Aber insgesamt über hunderttausend Besucher trotztem dem Wetter.

So konnte das Parlament vor allem mit seinen inneren Werten trumpfen. In den Gängen waren Stände, auch kleine Bars aufgebaut, Besucher durften für den guten Zweck trinken, etwa die Krebshilfe. Zu den Höhepunkten gehörte aber die eineinhalbstündige „Gesprächsrunde zu aktuellen politischen Themen“ im Plenarsaal. „Komm’se ruhig rein“, rief Präsident Walter Momper vom Podium, weil sich viele Besucher gar nicht reintrauten.

Momper erklärte dann das Fußballspiel des gestrigen Abends zur wichtigsten politischen Frage und wollte von den Fraktionsspitzen am Tisch wissen, warum sie so gern in Berlin sind. „Ich hab’s gar nicht rausgeschafft aus der Stadt“, bekannte CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer , Michael Müller von der SPD gab sogar zu, „es nicht mal aus dem Bezirk raus geschafft“, zu haben (er meinte Tempelhof). Dann wurde, auf Nachfrage des Publikums, über die Sparzwänge und die 60 Milliarden Euro Schulden diskutiert, und etliche Zuschauer, unter ihnen die fünfjährige Stephanie, kamen ins Gähnen. Sie wäre mit ihren Eltern lieber an der Hüpfburg gewesen.

Weil der Bundesrat auch Teil des ehemaligen Preußischen Landtags ist, hatte auch er zur offenen Tür geladen. Sein Präsident, Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus, diskutierte über den Vermittlungsausschuss. Das Thema war schwere Kost, aber die Besucher freuten sich, weil sie dabei mit den Augen durchs schmucke Haus schweifen konnten.

Die Veranstalter des Berliner Bücherfestes am Pariser Platz hätten sich gern vorübergehend ein festes Dach gewünscht. „Morgen wird’s besser“, machte sich Peter Diering am Rowohlt-Stand Mut,und meinte das Wetter. Es sei doch verblüffend, wie viele Leute Bücher kauften. Wie er hatte auch die Buchhandlung Hacker und Presting ihre gute Stücke hinter Planen vorm Regen gesichert.

Dennoch schlenderten Tausende Besucher über den Platz, etliche lugten zum Rohbau der Akademie der Künste, der erst am Abend öffnen sollte. Tröpfelte es, suchten viele in der Französischen Botschaft trockenen Boden. Sie zeigt „Le Petit Salon“, eine Ausstellung über deutsch-französische Drucke.

Aber am Nachmittag lockerte sich ohnehin der Himmel auf, das Hoffest der KPM , der Königlichen Porzellanmanufaktur am S-Bahnhof Tiergarten profitierte davon, war proppenvoll. KPM-Chef Elmar Schmitz konnte die restaurierte Ringofenhalle als Ausstellungsraum präsentieren. Schmitz sprach von „ wirtschaftlich positiven Entwicklungen“ für das Haus, bald werde ein Käufer gefunden sein.

Ein wenig unterkühlt begann das Lesbisch-schwule Stadtfest rund um die Motzstraße. Aber Freunde dieses Klassikers unter den Straßenfesten wissen, dass hier ohnehin erst am Abend die Musik spielt. Touristen, die das „Schrille“ suchten, mussten nachmittags erst mal mit Horst vorlieb nehmen. Er lief geduldig im bunten Fummel die Straßen ab, am nackten Arm zeigte sich Gänsehaut. C.v.L

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