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Berlin: Ein Stück Berlin

Bereits vor über 100 Jahren öffnete der erste Reichelt-Markt seine Pforten. Seither blickt der Lebensmittelhändler auf eine bewegte Geschichte zurück.

Durch die Fenster fallen zwei helle Streifen Sonnenlicht auf den Dielenfußboden. An hohen Wänden reihen sich weiß gestrichene Holzregale aneinander, die vor Waren nur so überquellen: Schuhcreme in bunten Blechdosen, Waschpulver, Tee, Kaffee, Tabak und Holzfässer mit eingelegten Gurken. Auf einem Tresen thront eine riesige schwarze Registrierkasse, umrahmt von Gläsern mit Lakritze, Karamelbonbons und Brausepulver.

Wer heute in Berlin groß wird, kennt sie schon nicht mehr: alte Kaufmanns oder Kolonialwarenläden, wie es sie bis in die fünfziger Jahre hinein noch zu Dutzenden gab. Im Museum der „Domäne- Dahlem“ lebt das Flair vergangener Zeiten wieder auf. Dort wurde in einem alten Gutshaus ein historischer Gemischtwarenladen eingerichtet – mit Unterstützung der Lebensmittelkette Otto Reichelt. Dieses Engagement ist kein Zufall. Denn auch Reichelt blickt auf eine über hundertjährige Tradition zurück. Gut möglich also, dass es in den ersten Reichelt-Filialen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin ihre Pforten öffneten, ganz genau so ausgesehen hat.

Was mit vereinzelten Tante-Emma-Läden begann, wuchs schnell zu einem kleinen Imperium heran. Bereits 1919 schloss sich Otto Reichelt mit mehreren anderen Lebensmittelfirmen zusammen und gründete die Otto Reichelt GmbH. Bis Anfang der vierziger Jahre versorgten rund 400 Läden die Menschen in Berlin, Mittel- und Ostdeutschland mit Lebensmitteln und Haushaltswaren. Von Stettin im Norden bis hinunter nach Breslau erstreckte sich das Filialnetz. Doch der Zweite Weltkrieg bereitete dem Wachstum ein jähes Ende – nur rund 140 Berliner Geschäfte blieben erhalten.

Es folgten die fünfziger Jahre: Das Wirtschaftswunder sorgte für Aufbruchstimmung, der Rock’n Roll eroberte die Plattenteller, die Frau von Welt trug Caprihosen – und Reichelt eröffnete in Berlin sein erstes Geschäft mit Selbstbedienung. Auch das Sortiment wurde erweitert: Obst und Gemüse kamen hinzu, später Fleisch und Backwaren. Im Jahre 1977 endete bei Reichelt schließlich die Tante-Emma-Ära: Das letzte Vollbedienungsgeschäft schloss endgültig seine Pforten. Seither müssen die Kunden selbst ins Regal greifen. Auch nicht schlecht! So kann man wenigstens in Ruhe das Warenangebot durchstöbern.

Umbruch und Neubeginn kennzeichneten die neunziger Jahre: Gleich nach der Wiedervereinigung wurden die ersten Filialen in den neuen Bundesländern eröffnet. Und auch hinter den Kulissen tat sich etwas. Aus der Otto Reichelt GmbH wurde eine Aktiengesellschaft, Mehrheits- und später alleinige Aktionärin die Edeka Minden-Hannover.

Ein langer Weg also, den das Traditionsunternehmen zurückgelegt hat. Doch auch wenn es im Laufe der Jahre viele Veränderungen gab, eines ist Reichelt immer geblieben: ein Stück Berlin. Und wer heute nostalgisch wird und sich nach der guten alten Zeit sehnt, kann nach Dahlem fahren und seine Nase in den Museumsladen stecken. Nur probieren sollten Sie dort lieber nichts – Karamelbonbons und Spreewaldgurken, die gibt’s schließlich immer noch bei Reichelt.

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