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Berlin: Eine deutsche Geschichte

Jürgen Schreiber über den Maler Gerhard Richter

Das Foto rührt an: Ein Mädchen, 14 Jahre alt, mit hübschem Gesicht und bravem Scheitel, lächelt in die Kamera, vor ihr, auf Kissen gebettet, ein Säugling im Strampler. Ein Bild, das Hoffnung und Frieden atmet, und doch, aus der Rückschau, unheimlich wirkt. Denn das Mädchen, Marianne Schönfelder, wird 13 Jahre nach der Aufnahme als Schizophrene von den Nazis umgebracht werden. Das Baby in ihren Armen dagegen, ihr Neffe Gerd, wird ein weltberühmter Maler werden.

Gerhard Richter hat dieses Familienfoto aus dem Jahre 1932 später als Vorlage für ein Bild genommen und damit seiner früh verstorbenen Tante Marianne ein Denkmal gesetzt. Auch andere Familienmitglieder hat er gemalt, etwa den Vater seiner ersten Frau, Heinrich Eufinger, der als Gynäkologe lange Zeit in Dresden, später in Wilhelmshaven praktizierte. Was der Maler dabei jedoch nicht wusste: Just jener hoch geachtete Patriarch Eufinger war in der Nazizeit für die Zwangssterilisierungen von psychisch kranken Frauen verantwortlich – und damit auch für Mariannes, wie es hieß, „Unfruchtbarmachung“.

Jürgen Schreiber, Chefreporter des Tagesspiegel, ist bei einer weit gespannten Recherche über Gerhard Richter auf diesen Zusammenhang gestoßen. Fasziniert von der erschütternden und sehr deutschen Familiengeschichte Richters hat er darüber ein Buch geschrieben: „Ein Maler aus Deutschland. Gerhard Richter. Das Drama einer Familie“ (pendo Verlag, 303 Seiten, 22,90 Euro). Auf ebenso fesselnde wie beklemmende Weise werden in dieser literarischen Reportage die frühen Jahre Gerhard Richters lebendig, das Dresden der Nazis, der Aufstieg seines skrupellosen Schwiegervaters – und vor allem das Leiden der Menschen wie Tante Marianne, die von den selbst ernannten Hütern des deutschen Erbguts in Anstalten mit poetischen Namen weggeschlossen und vergast wurden.

Im Tagesspiegel-Salon liest Jürgen Schreiber aus seinem Buch und spricht mit Chefredakteur Lorenz Maroldt über den Maler, seine Familie und das Land, das solche Geschichten hervorbringt. Die Veranstaltung findet, wie immer verbunden mit einem kleinen Essen, im Löwenpalais in Grunewald statt, wo sich die Stiftung Starke der Förderung junger Künstler verschrieben hat und in deren Salon wechselnde Ausstellungen gezeigt werden. Und am Flügel begleitet Matthias Klünder diesen Abend über eine Familiengeschichte, die drei Deutschlands umspannt und in der sich Lebensläufe von Opfern und Tätern kreuzen.D.N.

Zeitung im Salon mit Jürgen Schreiber am Donnerstag, 26. Januar, 19 Uhr 30, im Löwenpalais, Koenigsallee 30-32, 14193 Berlin-Grunewald. Eintritt (inklusive Essen) 12 Euro. Anmeldung ist unbedingt erforderlich. Wer teilnehmen möchte, sollte am Dienstag, 17. Januar, von 7.30 Uhr bis 20.00 Uhr anrufen, und zwar die Telefonnummer (030) 26009-609. Die Zahl der Tickets ist allerdings begrenzt. Gehen mehr Anmeldungen ein als Plätze zur Verfügung stehen, entscheidet das Los unter allen Anrufern.

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