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Im Film wie im echten Leben arbeitet Aaron Le als Polizist.

© Mike Wolff

Stadtspaziergang mit Aaron Le: Eine Pistole ist doch kein Spielzeug

In Schöneberg kennt sich Schauspieler Aaron Le aus. Schließlich arbeitet er dort als Objektschützer der Polizei. Im Fernsehen jagt er ebenfalls Verbrecher.

Ein dunkler Innenhof. „Halt, Polizei, stehenbleiben!“ hallt die Stimme von Aaron Le durch die Nacht. Der junge Kommissaranwärter sprintet einem Verdächtigen hinterher. Eingefangen wurde die Szene von Fernsehkameras am Set der Serie „Rentnercops“. Gerade erst sind die Dreharbeiten in Köln für die dritte Staffel, die ab 5. September in der ARD läuft, zu Ende gegangen.

Doch Le trägt auch abseits der Kameras eine Waffe. Der 36-Jährige ist nämlich nicht nur Schauspieler, er arbeitet seit 2011 bei der Berliner Polizei. Zentraler Objektschutz, Abschnitt 41, Gothaer Straße 19 in Schöneberg. An einem heißen Nachmittag im August steht er, in voller Montur, vor der Wache. Fünf Kilo wiegen Weste und Ausrüstung zusammen. „Wenn ich das mein ganzes Leben mache, bin ich am Ende fünf Zentimeter kleiner“, sagt Le. Noch misst er 1,77 Meter. Erst mal umziehen, in Uniform kann man nicht in Ruhe spazieren gehen.

„Manchmal komme ich mir vor wie ein Informationsdienst“, erklärt er. Touristen fragen häufig nach dem Weg. Bezüglich Hotels sei er inzwischen Experte. Doch auch die Straßenkleidung – Jeans, schwarzes T-Shirt – hilft an diesem Tag nicht. Nach ein paar Metern die Gothaer Straße hinunter muss er schon wieder Auskunft geben. Ein Mann mit Schirmmütze, großer Plastiktüte und etwas schäbiger Kleidung fragt, wie er denn zur Eisenacher Straße komme. Le beschreibt geduldig den Weg.

Streife durch den Kiez

Durch seinen Job kennt er sich gut aus hier, zwischen Rathaus Schöneberg und Wittenbergplatz. Es ist sein Kiez für mindestens acht Stunden am Tag. Wo er lebt, solle nicht in der Zeitung stehen, zu gefährlich, meint Le. Aber in Schöneberg kenne er sich ohnehin besser aus.

Denn jeden Tag setzt er sich in den Dienstwagen und fährt hier Botschaften, Synagogen oder öffentliche Gebäude ab, um nach dem Rechten zu sehen, Autos abschleppen zu lassen oder Platzverweise auszusprechen. An der Synagoge in der Passauer Straße kommt er regelmäßig vorbei. Man kennt ihn dort. Direkt neben dem Gotteshaus ist ein Laden für russische Spezialitäten, Regale voller Kwas, einem Getränk, dass Malzbier ähnelt, und eingelegten Gurken. Mit Gino, einem der Mitarbeiter dort, unterhält sich Aaron Le gern. Es sind schönere Zeiten als früher, als er ein „Springer“ war und sich um Gebäude in ganz Berlin kümmern musste. Einen Vorteil hatte das jedoch schon: „Ich kenne mich jetzt in Berlin gut aus, wie ein Taxifahrer.“

Aaron Le erzählt von seiner Kindheit bei einer Kugel „Black Sesam“ im Eisladen „La Dolce Vita“ an der Belziger Straße.

© Mike Wolff

Ein paar Stammlokale hat er inzwischen rund um den Wartburgplatz, an dem die Wache liegt. Das „Vietrice“ zum Beispiel. Hier holt er sich im Dienst gerne Pho Bo, eine traditionelle vietnamesische Suppe mit Rindfleisch. Eine Erinnerung an das Heimatland seiner Eltern, an das er selbst keine Erinnerungen hat.

Seine Eltern flohen nach dem Ende des Vietnamkrieges vor den Schikanen der Nordvietnamesen, erzählt Le. Sie waren zwei der über 1,6 Millionen Boatpeople, die mit klapprigen Booten über das Südchinesische Meer in andere Länder gelangen wollten. Das deutsche Schiff „Cap Anamur“ griff Aaron Les Eltern auf und brachte sie auf die Philippinen, wo er geboren wurde, kurz darauf durfte die Familie nach Deutschland fliegen. Aufgewachsen ist Le dann in Gelsenkirchen, erzählt er bei einer Black-Sesam-Kugel im Eisladen „La Dolce Vita“ an der Belziger Straße. Für Pho ist es einfach zu heiß, Zeit für Schatten.

"Als Asiate ständig als Zigarettenverkäufer oder Mönch gecastet“

Seine Eltern wollten, dass er Arzt oder Architekt wird. Als er sich für eine Schauspielkarriere in Berlin entschied, waren sie nicht begeistert, sagt Le – das Eis ist aufgeschleckt – auf einer Bank im Rudolph-Wilde-Park hinter dem Rathaus Schöneberg. „Es ist ein sehr unsicherer Job“, gibt er zu. Nachdem er die Ausbildung an der Schauspielschule 2004 beendet hatte, klappte es nicht mit den großen Rollen. „Außerdem wird man als Asiate ständig als Zigarettenverkäufer besetzt oder als Mönch gecastet“, erklärt Le. Andere Rollen zu bekommen sei schwierig. Rassistisch finde er das nicht, es sei einfach „konservatives Denken, dass sich mittlerweile aber gebessert hat“.

Jahrelang hangelte er sich von Angebot zu Angebot, bekam Hartz IV, räumte Regale bei Kaufland ein. Er wollte mehr finanzielle Sicherheit. Zu seinem Job kam er durch einen Freund, der selbst Polizist ist. „Er riet mir 2010, mich zu bewerben, und sagte, sie würden gerade viele Leute mit Migrationshintergrund suchen“, erzählt Le. Die Berliner Polizei sei auch in den letzten Jahren diverser geworden, Kollegen mit asiatischem Aussehen gäbe es dennoch kaum, sagt Le.

Diskriminierung im Dienst, ob von Kollegen oder Zivilisten habe er noch nicht erlebt. Überhaupt erzählt Le lieber von den guten Seiten des Jobs und auch von Schöneberg. Er schwärmt vom Viktoria-Luise-Platz etwas weiter nördlich im Kiez. Würde er in Schöneberg wohnen, dann da: Springbrunnen, Kolonnade, schön ruhig. Außerdem gibt es dort das „Viktoria Eis“, wo er sich gern eine Kugel Vanille gönnt, und das Restaurant „Goji“ – das sind zwei seiner Lieblingsläden.

Angesprochen auf unschöne Erlebnisse im Kiez wird Le still, konkrete Probleme will er nicht nennen. Ein Beispiel nennt er dann doch: der Straßenstrich auf der Kurfürstenstraße. Das falle allerdings in den Bereich der Kollegen von der Sitte. Und Polizeibeamter zu werden habe er nicht vor, denn als Objektschützer ist er ein Angestellter und kann sich für ein Film- oder Serienprojekt freistellen lassen.

Gerade hatte er fünf Monate unbezahlten Urlaub für die Dreharbeiten zu „Rentnercops“, eine Serie, in der wegen Nachwuchsmangels zwei pensionierte Kommissare zurück in den Dienst berufen werden. Das gehe auch, weil ihm sein Chef entgegenkomme, sagt Le. Eine Einschränkung gibt es aber durch den Job bei der Polizei: Aaron Le darf keine Mörder oder bösartigen Charaktere spielen. Das würde das Ansehen der Polizei schädigen, erklärt er.

Der junge Kommissaranwärter Hui Ko, den er bei den „Rentnercops“ gibt, ist kein Problem. Le erklärt den Kollegen am Set schon mal, wie man richtig mit einer Pistole umgeht. „In manchen Serien halten die ihre Waffen mit nur einer Hand, als wäre es Spielzeug, oder gar schräg“, beschreibt er. So könne man nicht ordentlich schießen. In Schöneberg musste er noch nie die Pistole ziehen.

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